Musik_Wir sind Helden - Von hier an blind

Gekommen und geblieben

Die meistzitierteste Band der Neo-"Neuen Deutschen Welle" sorgt für frische Aussagen. Ihre Weiterentwicklung birgt mehr Ernst, auf Kosten von Spaß und Eingängigkeit.    11.04.2005

Mutig sind sie, die Jungs einschließlich Frontfrau Judith Holofernes: Mit dem Zweitling "Von hier an blind" geht man nicht "Rüssel an Schwanz" dem Erfolgsrezept des fulminanten Debüts "Die Reklamation" hinterher. Die neuen Nummern der Helden, die mit ihrem Erstling eben mal eine halbe Million Platten verkauft hatten, präsentieren sich weit vielschichtiger und assoziationsgeladener, dafür aber auch nachdenklicher und direkter.

Im Gegensatz zum Mega-Seller hat sich der altbekannte Sound knackiger Gitarren und heftiger Trommelgeschlage dabei eher der Verzierung durch verschnörkeltes Keyboard-Geklimpere entzogen.

Ob das symptomatisch für eine erwachsenere Haltung ist?

Bei den beiden Eröffnungsnummern kann diese Forschungsfrage definitiv verifiziert werden: "Echolot" mutiert zu einer rockig angehauchten Ballade während der Opener "Wenn es passiert" mit einer wunderbar zerbrechlichen Stimme glänzt. "Ich will da sein, wenn die Zeit einfriert. Ich will da sein, wenn sie explodiert und wenn sich dabei mein Verstand verliert", singt Judith da im sphärischen Refrain, und die Körperhaare haben keine Chance mehr, still am Körper zu kleben.

Mit der Zeit wird es etwas flotter, die Selbstkritik am gesellschaftlichen Handeln bleibt aber im Songwriting bestehen. Songs wie "Zuhälter" oder "Zieh Dir Was An" verurteilen beispielsweise wunderbar das Image der sexgeilen Gesellschaft. Singen Wir Sind Helden auch mal ganz deutlich "Bin ich nicht wütend genug für dich und deine Leute?" ("Wütend Genug"), so reflektieren Judith Holofernes, Pola Roy, Jean-Michel Tourette und Mark Tavassol vorwiegend zwischen den Zeilen und lassen verschiedene Deutungen von Assoziationsketten zu.

Die Ecken und Kanten des Albums beinhalten freilich auch sehr radiofreundliche Hits wie die erste Single "Gekommen, um zu bleiben" oder "Nur ein Wort", wenngleich sich auch diese vom Vorgängeralbum deutlich emanzipiert haben.

Allen Änderungen und Weiterentwicklungen zum Trotz ist es jedoch unverstellbar, daß sich die Band auch hinsichtlich ihrer Bühnengewohnheiten gewandelt hat. Doch um das zu überprüfen, gibt es demnächst zigfach Möglichkeiten ...

Tour-Termine:

1. 5. 2005 Wien/Arena

2. 5. 2005 Wien/Arena

2. 6. 2005 Salzburg/Domplatz

3. 6. 2005 Graz/Schwarzlcenter Open Air Wiese

9. 6. 2005 Nickelsdorf/Novarock

23. 7. 2005 Clam/Burg Clam

5. 8. 2005 Lustenau/Szene Open Air

David Krutzler