Musik_Wir sind Helden - Soundso

Sie nennen es Arbeit

Diese Band ist ein Grund zur Panik - für Fans wie Gegner gleichermaßen. Jetzt stehen die Berliner Schlager-Popper mit ihrem dritten Album vor der Tür. Zumindest für unsere Autorin ist das kein Anlaß zur Flucht, sondern einer zur Freude.    14.06.2007

Ihr erstes Album "Die Reklamation" machte Wir sind Helden, die 2001 gegründete Formation rund um Frontfrau (und Jungmutter) Judith Holofernes, Bassist Mark Tavassol, Gitarrist Jean-Michel Tourette sowie Schlagzeuger (und Vater des Holofernes-Sprößlings) Pola Roy, über Nacht zu einer der meistdiskutierten deutschen Popbands. Das lag vor allem an den Song-Texten der Helden mit ihren vermeintlich systemkritischen Inhalten - Kritik am Kommerz, am starren System, an der Musikindustrie und weißgottnochwas. Nach der ersten Euphorie stellte sich für so manchen Fan der ersten Stunde aber ein wenig Wehmut ein, da die zweite Helden-Tat "Von hier an blind" zwar erfolgreich war, allerdings nicht mehr nur als Teil der selbsternannten Indie- und Alternative-Riege. Willkommen bei Ö3, auf Wiedersehen FM4.

Seit einigen Tagen steht nun das neue, mit "Soundso" etwas seltsam betitelte Werk der vier Berliner in den Plattenläden. Jean–Michel Tourette faßt den Namensfindungsprozeß folgendermaßen zusammen: "Bei der Suche nach dem Albumtitel haben wir gemerkt, daß wir keinen Namen finden konnten, der dem ganzen Album gerecht wird, daß jeder Vorschlag irgendetwas zusammenzufassen schien, das sich nicht zusammenfassen lassen wollte. Wenn ein Name zur Hälfte der Lieder gepaßt hat, ist irgendein anderes Lied aus der Reihe getanzt und hat unwirsch 'Äh, ich aber nicht' gemurmelt."

 

Beim ersten Hören des inhomogenen Liederreigens fällt auf, daß die vier Berliner zu ihren Wurzeln zurückgekehrt sind: weg vom poppigen Einerlei und hin zu vielschichtigen Songs mit Melodien, die einen nicht wochenlang als Ohrwürmer verfolgen. Das Album ist wieder facettenreicher; von Bläsern über Saxophonsoli, Hintergrundchöre und Zweitstimmen bis hin zu melancholischem Pop ist darauf alles zu finden.

Die erste Single-Auskopplung "Endlich ein Grund zur Panik" hört man seit geraumer Zeit auch schon auf alternativen Formatradiosendern - zu Recht, ist sie doch wahrscheinlich einer der hitverdächtigsten Songs auf dem Album. Spätestens beim Refrain "Endlich ein Grund zur Panik/Endlich ein Grund, los – Panik!" darf gern auch mitgegrölt werden. Wir sind Helden lassen es hier ordentlich krachen.

Im Album-Opener "(Ode) an die Arbeit" versuchen sich die Helden an Gedanken zur Arbeitswelt: "Also, was das Schaf da mit dem Gras macht: keine Arbeit". Sie stellen fest, daß Arbeit auch Spaß machen kann, erläutern verschiedene Definitionen von Arbeit und fordern am Ende auf: "Ran an die Arbeit". Die Songs sind vom typisch kindlichen Sprechgesang der Holofernes durchdrungen, deren Texte hier sehr eingängig und plakativ ausgefallen sind. Etliche Wortspielereien prägen das neue Album - wie etwa im Titeltrack "Soundso": "So und so/Und sowieso bleibt nichts davon/So und so/Und sowieso ist nichts davon/So und so/Glaub mir nichts davon/bist du."

Die Inhalte sind ernsthaft und philosophisch geprägt. Die Helden reflektieren über Themen wie die Utopie der Freiheit, etwa in "Der Krieg kommt schneller zurück, als du denkst". Krieg ist nicht nur Vergangenheit, sondern leider allzuvertraute Gegenwart. Auch uns kann es wieder treffen - also haltet Augen und Ohren offen und seid bereit, dagegen anzukämpfen! Meint wenigstens die Band ...

Das letzte Lied des Albums driftet in ein nihilistisches Nirwana ab: "Laß uns verschwinden – wir lösen uns auf/Laß uns verschwinden – da kommt keiner drauf." Sie sehnen sich einen Nicht-Ort herbei, an dem sich alles in Frieden und Wohlgefallen auflöst. Die Melodie schwingt sanft fließend hinüber - ein Schlußakzent, der als Kontrast zur kratzbürstigen "(Ode) an die Arbeit" zu sehen ist.

Live zu bewundern sind die Berliner übrigens am 13. Juli auf dem "Nuke"-Festival in St. Pölten, wo sie dann für dementsprechend Veranlagte wohl wieder Helden-Stimmung verbreiten werden.

Martina Schwaiger

Wir sind Helden - Soundso

ØØØØ


Labels/EMI (D 2007)

 

Photos: Sven Sindt

Links:

Kommentare_

Musik
White Lies - To Lose My Life

No Fun = Fun

Frischer Indie-Rock aus dem West-Londoner Ealing versucht sich in unseren Hörnerven festzusetzen. Um diese Band kommt man dieses Jahr nicht herum. Also: Vorhang auf für die "frommen Lügen".  

Kino
Planet Terror

Feuer frei, Baby!

In seinem sehr gelungenen Beitrag zum "Grindhouse"-Double-Feature serviert uns Robert Rodriguez besten Trash-Horror mit einem Hauch rabenschwarzen Humors. Na dann: Es ist angerichtet!  

Kino
Death Proof - Todsicher

Damenqual

On the Highway to Hell: Kopierkönig Quentin Tarantino meldet sich mit einem von kongenialem Siebziger-Jahre-Schund "inspirierten" Film zurück - der gleichermaßen eine Hommage an Meisterwerke wie "Vanishing Point" oder "Faster, Pussycat! Kill! Kill!" darstellt.  

Kino
Irina Palm

Who the fuck is Irina Palm?

Warum befindet sich in einem Sexshop ein Loch in der Wand - und was hat das mit Familiensinn zu tun? Diese und andere Fragen beantwortet ein wunderbarer Film über eine Mittfünfzigerin, die ihr Leben (und vieles mehr) neu anpackt.  

Kino
Hostel 2

Zweiter Gang: Jungfernspießchen

Auf ins Land des käuflichen Todes: Regisseur Eli Roth vermischt auch in der Fortsetzung seiner Ostblock-Schlachtplatte zarte junge Touristenzutaten zu einem blutigen Szenario für Folterfreunde.  

Musik
Wir sind Helden - Soundso

Sie nennen es Arbeit

Diese Band ist ein Grund zur Panik - für Fans wie Gegner gleichermaßen. Jetzt stehen die Berliner Schlager-Popper mit ihrem dritten Album vor der Tür. Zumindest für unsere Autorin ist das kein Anlaß zur Flucht, sondern einer zur Freude.