Musik_Orchesterkonzert der Wiener Philharmoniker

Seltsame Zeiten

Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.    10.07.2020

Viele Künstler müssen in Zeiten wie diesen um ihre materiellen Daseinsgrundlagen fürchten. Da haben es die Mitglieder der Wiener Philharmoniker (und demnach des Wiener Staatsopernorchesters) schon besser; sie sind durch ihre Dienstverhältnisse bei den Bundestheatern in einer relativ abgesicherten Position. Deswegen ist es ihnen umso mehr zu danken, daß sie in diesem grausamen Jahr gemeinsam mit Thomas Angyan eine Dreierserie von Konzerten im "Corona-Modus" (maximal 100 Personen im Publikum, Spieldauer maximal eine Stunde und keine Pause) ansetzten.

Das dritte Konzert unter Franz Welser-Möst war eine richtige Freude, weil dabei grundehrlich musiziert und gespielt wurde. Der Autor dieser Zeilen wurde an ein Ereignis von vor fast 40 Jahren erinnert, wo er am ziemlich genau gleichen Platz als Statist bei den Filmaufnahmen zur Symphonie Nr. 5 von Tschaikowski unter Herbert von Karajan dabeisein durfte. Damals war Welser-Möst als eine Art Assistent beschäftigt und durfte die Philharmoniker unbedarft ein paar Takte lang dirigieren, während der große Maestro im Technikraum das Geschehen beobachtete und zwischendurch per Lautsprecher zu Welser-Möst und den Musikern grummelte. Damals schenkten die Philharmoniker dem knapp über 20jährigen Maestro kaum Beachtung und spielten eigentlich, was sie wollten.

 

 

Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Heute konnte man einen großartigen Dirigenten bewundern, der ebenso großartige Musiker spielen ließ. In einem deutsch-österreichischen Programm erklangen die vier symphonischen Zwischenspiele aus Richard Strauss´ Komödie "Intermezzo" und die dritte Symphonie von Franz Schubert.

"Intermezzo" ist Theater- bzw. Filmmusik im hochwertigsten Sinn. Das Werk ist ein Konversationsstück, das im Theatermilieu in  Wien spielt. Es ist daher kein Wunder, daß die Walzerszene im ersten Teil ein schwungvoller und herzhafter Wiener Walzer ist, der deutliche Anklänge an die Walzerfolge aus dem "Rosenkavalier" hören läßt. Hier war das Orchester voll in seinem Element. Die grandiosen Streicher und Bläser klangen meisterhaft; im zweiten Zwischenspiel "Träumerei am Kamin" konnte man bei Rainer Honecks Violinsolo regelrecht zerfließen. Ganz exzellent waren auch all die anderen Zwischenspiele und dann Schuberts Symphonie. Trotz der mittelgroßen Streicherbesetzung (sechs Kontrabässe) war der Klang immer noch transparent und fein ziseliert.

Zum einen sollte man natürlich dankbar sein, daß man so ein Konzert live hören durfte. Zum anderen klang - wie auch andere bemerkten - im fast leeren Musikvereinssaal die Musik viel voller und imposanter. Das liegt vor allem daran, daß die "schallschluckenden" Menschen größtenteils wegfielen. Diese Akustik, die man auch bei Proben und Plattenaufnahmen erleben konnte, ist das große Atout dieses Saals. Nicht zuletzt war dieser wunderbare Veranstaltungsort auch die zweite Heimat Herbert von Karajans.

Irgendwie schließt sich da ein großer Kreis. Vielleicht ist diese spezielle Konzertserie trotz aller Unbilden ja doch ein besonderer Markstein - als Schluß von Angyans Karriere, dem hiermit alles erdenklich Gute gewünscht sei.

Herbert Hiess

Wiener Philharmoniker - Orchesterkonzert

ØØØØØ

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Richard Strauss: Vier Symphonische Zwischenspiele aus der bürgerlichen Komödie "Intermezzo" op. 72
Franz Schubert: Symphonie Nr. 3 in D-Dur, op. 200

 

Wiener Philharmoniker/Franz Welser-Möst

 

Konzert am 20. Juni 2020 im Wiener Musikverein

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