Musik_Purcells "The Fairy Queen" und konzertanter Vivaldi im Theater an der Wien
Phantasieloses Zauberreich
Die erste Neuinszenierung des Theaters an der Wien im Jahr 2017 war schlichtweg die Entzauberung eines der schönsten Musikwerke des Barocks - obwohl die Produktion einen gewissen Reiz hatte. Trotzdem stellt sich die prinzipielle Frage, warum man als Zuseher dem Selbstdarstellungswahn vor allem der Regisseure ausgeliefert sein muß.
16.02.2017
So mancher deutschunterrichtsgeplagte Schüler kann sich sicher noch an die berühmte "Themenverfehlung" erinnern, die mit dem "Nicht Genügend" als Zensur seines Werkes einherging. Diese Beurteilung müßte man auch der Regisseurin Mariame Clément verpassen, die fast kunstvoll Henry Purcells Meisterwerk so verunstaltete, daß nicht einmal mehr der Rumpf der Semi-Opera übrigblieb.
"The Fairy Queen" ist (in heutiger Sprache geformt) eine Kompilation aus Shakespeares "Sommernachtstraum" und Purcells kostbarer Musik, deren Partitur übrigens erst im frühen 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurde. Der englische Komponist, dessen klangfarbenreiches Gesamtwerk die Latte für Georg Friedrich Händel fast unerreichbar hochhängen ließ, komponierte eine nach Art der "Comedia dell´Arte" konzipierte Schauspielmusik (Intermedien, Arien, Ensembles etc.), die den Zauber von Shakespeares Komödie untermalen soll.
Offensichtlich ist dieses Werk kaum wirklich inszenierbar. Schon 2014 merkte man, wie sich Philipp Harnoncourt bei der Umsetzung in der letzten Opernpremiere seines stark vermißten Vaters Nikolaus recht schwer tat. Kompletter Einfallslosigkeit dürfte aber die französische Regisseuse Clément bei dieser aktuellen Produktion anheimgefallen sein. Sie unternahm nicht einmal mehr den Versuch, dieses Werk zu interpretieren, sondern verwendete die grandiose Musik lieber dazu, sie in eine vielleicht lustige, aber in diesem Zusammenhang mehr als belanglose Rahmenhandlung zu pressen. Sicher mag für manche der Tagesablauf in einem Opernhaus interessant sein - aber bitte nicht in diesem Kontext! Purcells Musik hat weit Besseres verdient, als den Eitelkeiten von Opernstars und -sternchen oder sonstigen Figuren zu dienen. Was man der französischen Inszenatorin zugute halten muß, ist die Tatsache, daß sie ihr Vorhaben wenigstens sehr stringent und konsequent umsetzte.
Musikalisch war die Aufführung ein wahres Fest, vor allem getragen von den Talens Lyriques unter Christophe Rousset und der phänomenalen Anna Prohaska. Die Musiker ließen ein wahres Feuerwerk der Barockmusik leuchten. Die Ensembles, die Tanzmusiken und die Zwischenspiele waren berauschend wie die ruhigen und ernsten Szenen. Ein Höhepunkt war im fünften Akt das Lamento der Anna (so heißt die Rolle da wirklich!) vulgo Titania. Unglaublich, wie toll die Solovioline und Prohaska aus dem Gesang ein zu Herzen gehendes Lehrstück machten!
Ein Werk mit Seltenheitswert ist Antonio Vivaldis "Juditha Triumphans", das die alttestamentarische Beziehung zwischen Judith und Holofernes in schönsten Klängen schildert. Der Venezianer Vivaldi komponierte das Oratorium ausschließlich für Solistinnen; Hintergrund der Kompositionsgeschichte ist sein Wirken im Rahmen der Ospedale (Waisenhäuser) von Venedig. Anläßlich eines Opernverbots goß der italienische Meister die Geschichte in Form eines Oratoriums (sogar in lateinischer Sprache), um eben dieses Verbot zu umgehen. Das Ergebnis ist eines der klangfarbenreichsten Werke der Barockliteratur mit einer seltenen Vielfalt von Instrumenten. So kommen hier beispielsweise sogar Klarinetten vor - und gleich vier Lauten.
Wenn Robert King mit seinem King´s Consort auftritt, könnten die Abende unter dem Motto "The King´s speeches" stehen, da der Maestro vor jedem Konzert eine Ansprache an das Publikum zu halten pflegt. Diese sind immer recht humorvoll und einfallsreich; mittlerweile erwartet man sich das bei seinem Auftritt.
Leider war das musikalische Ergebnis dann nicht so berauschend - von den Musikern und Solistinnen hätte man wohl etwas mehr erwartet. Doch nicht jeder Abend kann eine Sternstunde sein, und man war eigentlich froh, so ein phantastisches Werk einmal live erleben zu dürfen.
Herbert Hiess
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