Musik_Verdi-Frühwerk mit Domingo
Venezianische Intrigen
Auch als Bariton ist Plácido Domingo nach wie vor ein Kassenmagnet für die Opernhäuser. In einer sehr intelligenten Inszenierung konnter der Opernstar nicht nur stimmlich, sondern vor allem schauspielerisch brillieren. Und dank der musikalischen Qualität wurde eine faszinierende und hochwertige Aufführung daraus.
14.02.2014
Giuseppe Verdi komponierte das politische Intrigenspiel "I due Foscari" abseits der venezianischen Gondolierenromantik nach einem Drama von Lord Byron. Das Stück handelt im Dunstkreis des Dogen Foscari, dessen Todfeind Loredano dafür gesorgt hat, daß Foscaris Sohn Jacopo unschuldig verbannt wird, und letztlich erreicht, daß er der neue Doge wird und den Tod seines Vorgängers verursacht.
Musikhistorisch ist die Oper um "Ernani" angesiedelt - was man auch öfters hört; interessanterweise finden sich auch Elemente von "Macbeth" darin, obwohl dieses Werk erst drei Jahre später uraufgeführt wurde. Verdi bediente sich in "I due Foscari" zeitweise der Motivtechnik, indem er den drei Hauptdarstellern eigene Themen zuwies, die er aber nie so intensiv einsetzte wie Richard Wagner.
Der amerikanische Regisseur Thaddeus Strassberger setzte das Politdrama hervorragend in Szene. Vordergründig wirkte seine Inszenierung konventionell, was einigen "fortschrittlichen" Gemütern vielleicht sauer aufstieß. Doch die Regie konnte mit ihrer feinsinnigen und subtilen psychologischen Deutung von Anfang an faszinieren. Ein kleines Beispiel ist der berühmte "Rat der Zehn", dessen Mitglieder im Lauf der Handlung zunehmend vergreisen. Als Loredano dann den Dogenring von Foscari übernimmt, sind die zehn Personen jedoch wieder jung und agil.
Musikalisch war die Produktion exzellent, angefangen vom hervorragenden ORF-Orchester unter dem superben James Conlon über die Solisten bis hin zum Chor. Conlon verstand es, mit dem Orchester eine hochdynamische, brillante und faszinierende Aufführung zu zimmern. Davinia Rodriguez als Jacopo Foscaris Ehefrau ist eine intensive Sängern, die nicht nur sicher in der Attacke ist, sondern noch dazu im leisesten Piano. Roberto Tagliavini mit seiner profunden Baßstimme bleibt den Kollegen als Bösewicht Jacopo Loredano stimmlich nichts schuldig.
Einzig der mexikanische Tenor Arturo Chacón-Cruz, den man 2012 als Hoffmann hören konnte, war nicht wirklich überzeugend. Meistens forcierte er im Forte und traf (vor allem in der Höhe) mehrmals nicht die richtigen Noten. Ohne diese Unarten wäre er fast Weltklasse ...
Echte Weltklasse hat trotz seiner 73 Jahre der Spanier Plácido Domingo, der seit ein paar Jahren als Bariton durch die Lande zieht. Verglichen mit echten Baritonen von Weltrang weist er zwar einige Unebenheiten auf, wie zum Beispiel etwas mangelnde Tiefe; mit seiner Schauspielkunst und seiner unnachahmlichen Musikalität spielte er seine Protagonisten jedoch locker "an die Wand". Faszinierend waren vor allem seine große Romanze im 1. Akt sowie die Schlußszene, bei der allen im Publikum praktisch "der Mund offenblieb".
Mit dieser nur sechs Aufführungen umfassenden Produktion gelang dem Opernhaus an der Wien abermals ein großer Wurf - wobei die großartigen Solisten und vor allem der exzellente Dirigent James Conlon einen wichtigen Anteil am Gelingen hatten.
Herbert Hiess
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