Musik_V/A - Sónar 2004

Bei Tag und Nacht

Von 17. bis 19. Juni zog sich wieder einmal das traditionelle Sónar-Festival über Barcelonas Raval-Bezirk. Das musikalische Souvenir zum Event ist diese Compilation.    03.08.2004

In Sachen elektronischer Musik - und auch elektronischer Kunst allgemein, sowie der einen oder anderen Disziplin, die mit der Elektronik eng verbunden ist - entwickelte sich das Sónar-Festival in seiner Laufbahn zu einer Art Fixpunkt für Globetrotter der Szene. Eigentlich sogar noch einen Schritt darüber hinaus, denn nicht nur Insider besuchen Sónar, auch mehr oder weniger interessierte Liebhaber aller Kategorien finden sich alljährlich im sonnigen Spanien ein.

Auf dem hauseigenen Label SonarMusic wird dann auch in schöner Regelmäßigkeit seit 2001 festgehalten, was musikalisch geboten wurde, damit Zuhausegebliebene oder jene, die sich auch phonetische Bilderalben gern wieder einmal anhören, auch etwas vom Festival haben. Als Bonus ist die Compilation noch dazu randvoll mit hervorragenden Acts, da ja beim Festival keine halben Sachen gemacht werden. Da muß schon das Beste vom Besten anrücken.

Für 2004 beschert uns das Festival eine Doppel-CD. Thematisch gegliedert in "Sónar de día" und "Sónar de noche" (also "Sónar bei Tag" bzw. "bei Nacht"), und in edler Optik wurde hier ein Querschnitt der Creme de la Creme der Veranstaltung zusammengetragen.

Die erste CD, "Sónar de día", befaßt sich dabei mit dem - wie der Name nahelegt - Tagesprogramm des dreitägigen Events, das sich über mehrere verschiedene Venues erstreckt. Begleitend zu den verschiedenen Ausstellungen und Multimedia-Performances schmieren DJs und Künstler den passenden, sommerlich warmen, etwas verträumten Fugenkitt in die Spalten. Ob nun kanadischer Turntablism der Meisterklasse mit Kid Koala, schnelle Ambient- und Rhythmus-Landschaften von Fibla, multimedialer LoFi-Elektro von Sesam-O oder was auch immer - "Sónar de día" ist ein sinnlicher Spaziergang durch die Vielfältigkeit jener drei Sonnentage im Juni. Auch Superstars wie zum Beispiel Dani Siciliano (Sängerin bei Matmos und für Matthew Herbert) oder der zuvor schon erwähnte Kid Koala, aber auch Buck 65 (landesverwandt mit Kid Koala und höchst alternativer B-Boy) geben sich die Ehre und ergänzen das Tracklisting. Die erste CD der Compilation ist also ein sommerlich warmer Mix, der einen dazu verleitet, abzuschalten, auszuruhen und vielleicht in Gedanken am Strand herumzuliegen, während man an einem bunten Cocktail schlürft.

 

 

In der Nacht geht es da schon ganz anders zu. Besser gesagt: AUF der Nacht - nämlich auf der zweiten CD, "Sónar de noche". Nach Sonnenuntergang, wenn Barcelona nur von glitzernden Discokugeln und den glühenden Gesichtern der Tänzer erhellt wird, schreit die Stadt nach Beckenschwungmusik. Und auch hier kann das Sónar-Festival mit Leichtigkeit die großen und guten Namen aus dem Ärmel schütteln: Agoria, Matthew Dear, Paul Nazca, DJ Hell, Tiga, Adam Freeland und Dave Clarke. Dazu dann noch ein paar Groundbreaker wie Das Bierbeben und Deathprod, und fertig ist der Tanzsilberling, der von Minimal Techno über Body-Funk bis hin zu Elektroclash beinahe alles aufbieten kann, was Rhythmus in die Beine und Bewegung in die Lenden bringt.

Dabei wählten die Macher der Compilation einen interessanten Weg, der wohl im Geiste der Veranstaltung liegt. Anstatt nur die Hit-Garanten ins Tracklisting zu nehmen - immerhin hätten da noch Massive Attack, Roots Manuva, Guru (Gang Starr), Jeff Mills, Miss Kittin, 2 Many DJs und andere zur Auswahl gestanden -, entschieden sie sich eher für eine solide Mix-Variante. Das Ergebnis stellt mehr als zufrieden.

Als Fazit kann man zweierlei sagen: Einerseits ist die Doppel-CD "Sónar 2004" für alle, die gerne zum Festival gereist wären, es aber nicht geschafft haben, und für jene, die dort waren und sich das Ereignis quasi ins CD-Regal stellen möchten, eine ideale Investition. Andererseits stellt sie für jeden, der an elektronischer Musik interessiert ist und einen Querschnitt durch die verschiedenen Stile und Richtungen zwischen Mainstream und Underground besitzen möchte, die optimale Anschaffung dar. Wie man es also dreht und wendet: "Sónar 2004" ist gelungen vielseitig und einwandfrei gut. :: werwolf ::

Nuri Nurbachsch

V/A - Sónar 2004

ØØØØ


SonarMusic/Ixthuluh (Spanien 2004)

 

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