Musik_V/A - Grime

Dub to this, MC!

Im Hause Rephlex, mitgegründet von keinem Geringeren als Richard D. James alias Aphex Twin, wird zukunftsorientiert gearbeitet. Und so soll Club-Dub sich künftig anhören ...    27.07.2004

Grime: soot, smut, or dirt adhering to or embedded in a surface; broadly: accumulated dirtiness and disorder (pronunciation: 'grIm; function: noun; etymology: Middle Dutch grime soot, mask; akin to Old English grIma mask)

Merriam-Webster Online Dictionary

 

Warum gerade dieses Wort bezeichnend für den neuen Trend in Sachen Dub geworden ist, entzieht sich der Kenntnis des Verfasser dieser Zeilen. Um das zu verstehen. muß man wahrscheinlich in Süd-London - denn in Ost-London heißt es nicht Grime, sondern Eski, ist sonst aber genau gleich, außer vielleicht, daß im Osten die MCs keine Ruhe geben - ansässig sein und sich die Nächte in einschlägigen Clubs um die Ohren schlagen. Würde man spekulieren, dann fiele einem die schwere, verrauchte (wenn denn etwas verraucht klingen kann), massige Präsenz der Tracks auf, die sich wie ein öliger Film um die Ohren legt und Baßattacken unters Zwerchfell setzt. Vielleicht deshalb "Grime". Wie dem auch sei, Grime bietet eine interessante Alternative für diejenigen unter uns, die ihren Dub durchaus mögen, sich aber wünschen, daß er endlich mal andere Formen annehmen und sich nicht immer gleich anziehen würde. Mehr Breaks, mehr Industrial, mehr D&B, mehr IDM, mehr Mischung, bitte!

Grime zieht sich als Musikrichtung die MCs an. Will sagen: Grime Musik ist dafür ausgelegt, die Leute zum Tanzen zu bringen, aber gleichzeitig viel Platz für talentierte MCs zu lassen, die über die heavy Beats die Menge noch weiter anheizen sollen. So stellt es sich dann auch auf der Rephlex-Compilation dar: Der Inhalt ist Kaiser, also heißt das gute Stück eben auch "Grime". Artists kriegt man aber nur drei verschiedene, wofür es mehrere Gründe gibt. Erstens ist Grime noch nicht wirklich weit verbreitet, und es gibt nur wenige Künstler, die diesen Musikstil performen. Zweitens kennt man es ja von vielen Kleinlabels, vor allem im elektronischen Bereich, daß sie gern Freunde und Verwandte pluggen - und wenn man im Bekanntenkreis eben nur drei Grimer hat, dann werden es eben diese drei. Und schließlich drittens, weil Quantität nicht gleich Qualität ist - also dafür lieber je vier Tracks von jedem der drei Künstler, damit man die Leute auch gleich besser kennenlernt. So kommt man auch auf zwölf Tracks, und das macht ja auch schön was her. Zudem sind die hier vertretenen Künstler noch dazu die Obermotze des des neuen Genres.

Da stört es dann auch nicht weiter, wenn die Auswahl auf der CD sich auf Instrumentals beschränkt. Nur der pure Grime, keine Spur davon, wie das dann im Club (samt MC) tatsächlich klingen könnte. Dies wiederum gestaltet die vorliegende Compilation dann auch für Heimbastler und -wortkünstler interessanter. Keine Vocals bedeutet, daß man vielleicht selber einmal seine Talente zu diesen Sounds ausprobieren kann oder sich den einen oder anderen Sample-Happen stibitzt, ohne viel Mühe mit lästigen Sängern und Sängerinnen.

Grime ist also was? Grime ist eine neue Richtung für Dub, ein Auffangbecken für MCs, die im D&B spielen wollen, "Croydon Techno" (benannt nach der Heimatregion dieses speziellen Stils), der direkt auf die Tanzfläche führt, weniger headspace, mehr footwork. "Grime" ist eine Compilation, mit Hilfe derer man einen guten Eindruck von diesem neuen Stil gewinnen und sich zwölf Tracks von MarkOne, Plasticman und Slaughter Mob anhören kann. "Grime" ist ein gutes Tool für Heimexperimentalisten, die nicht in London wohnen und dort die frischen Instrumental-Vinyle von der Straße auflesen können. Grime ist eine der vielen Fährten, die in die Zukunft führen. Hinhören, denn das könnte noch recht spannend werden! :: werwolf ::

 

Nuri Nurbachsch

V/A - Grime

ØØØ 1/2


Rephlex/Ixthuluh (GB 2004)

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