Travis - 12 Memories
ØØØ 1/2
Sony (GB 2003)
Travis bleiben eine Klasse für sich, laufen aber mit der mutwilligen Entfernung ihres eigenen Pathos Gefahr, in die Mittelmäßigkeit abzurutschen. 14.11.2003
Travis haben nichts nötig: keine aufwendige Promotion oder Werbung, keinen Kopierschutz auf der CD, keine massiv im Fernsehen rotierenden Videos, keine Monate vorher veröffentlichten Singles. Sie wissen, daß sie gut sind. Und genau dieses Bewußtsein beseelt ihr neues Album "12 Memories", das unheimlich relaxt und gleichzeitig sehr erwachsen klingt. Travis sind endlich dort angekommen, wo sie schon immer hätten sein sollen: ganz oben, ohne irgendwelche zwanghaften Ambitionen, etwas beweisen oder rechtfertigen zu müssen, und mit einer Platte, die leicht und schön klingt, ohne daß man die Menge an Arbeit merkt, die hier zweifellos drinsteckt. Was paradoxerweise gleichzeitig auch die große Schwäche von "12 Memories" ist.
Englische Bands, die weder einen kollektiven Dachschaden noch einen totalen Egozentriker als Frontman und nicht einmal einen winzigen Skandal vorzuweisen haben, sind selten. Oasis haben alles zusammen, Placebo zumindest die ersten beiden, und sogar die Schwiegermuttersöhnchen von Coldplay sorgten in letzter Zeit mit ihrem abwechselnd prügelnden und berühmte Schauspielerinnen flachlegenden Chris Martin für Aufsehen. Nicht so Travis. Die unsichtbare Band macht dem Namen ihres dritten und bis dato düstersten Albums alle Ehre und bleibt im Hintergrund - wo sie die Musik sprechen läßt.
"The Man Who", vom amerikanischen "Rolling Stone" zum Meilenstein des Jahres 1999 geadelt, war ein Meisterwerk der Melancholie. Danach kam mit "The Invisible Band" ein noch introvertierteres, dunkles und sehr ambitioniertes Album, das dennoch locker mit dem Vorgänger mithalten konnte. "12 Memories" wird da schon ein bißchen problematischer. Zwar ist der Geist von Travis, diese traurigen Akustikgitarren, die im "Wie würden REM klingen, wenn sie Schotten wäre?"-Stil die ganze Welt umarmen, nach wie vor mehr als nur teilweise präsent, aber streckenweise wird das Album einfach zu sehr Routine, als daß man sich darin wirklich verlieren könnte.
Dabei fängt das alles wirklich verdammt gut an: Der klavierbasierte Midtempo-Mitwipper "Quicksand" und das bereits bekannte Akustikgitarrenstück "The Beautiful Occupation" sind beide total unterschiedlich und doch ganz klar als Travis-Songs zu identifizieren. Auch die erste Single "Re-Offender" und die Anti-War-Hymne "Peace the Fuck Out" machen noch eine sehr gute Figur, danach geht´s aber mit Vollgas in die Eigentlich-ein-schöner-Song-aber-ziemlich-langweilig-Zone:
Wenn nämlich "How Many Hearts" oder das ohne irgendwelche Höhepunkte oder auch nur amplitudischen Verschiebungen hingenudelte "Paperclips" in ein Ohr hinein- und zum anderen wieder hinausrauschen, ohne daß auch nur eine einzige Melodie oder zündende Hookline kleben bliebe, dann fängt man an, an der Band zu zweifeln, die bisher mit so großen Gesten und ergreifendem Pathos das Zuhörerherz zum Erbeben gebracht hat wie keine andere und hier ein Stück von ihrer großen Magie absichtlich für das "Erwachsensein" aufgibt.
Travis haben trotzdem mit "12 Memories" ein weiteres Mal gute Arbeit abgeliefert, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Aber: "Eine gute Arbeit abliefern" ist etwas, das man eher von U2 oder Neil Young erwartet, die ihre besten Zeiten längst hinter sich haben, und nicht von einer Britrock-Band, die gerade ihre vierte Platte veröffentlicht. Von denen erhofft man eher eine großkotzige Ankündigung nach dem Motto "die beste Platte der Welt" und vor allem ein paar Songs, die wirkliche Ohrwürmer sind, und die man in den nächsten Wochen vor sich hin summen kann. D´you know what I mean?
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