Musik_Tom Johnson - Kientzy Plays Johnson

Einzelgebläse

Daß Solosaxophonmusik weder anstrengend noch beiläufig sein muß, beweist diese neue CD des amerikanischen Avantgarde-Komponisten.    26.08.2004

Das verdienstvolle Pogus-Label aus Amerika bringt mit dieser CD ein wunderbares Stück klassischer Avantgarde auf den Markt. "Kientzy Plays Johnson" präsentiert vier Kompositionen für Saxophon, wobei der Komponist auf einem Titel auch als Erzähler fungiert.

Tom Johnson wurde 1939 in Colorado geboren und studierte bei Morton Feldman Klavier. Nach 15 Jahren in New York übersiedelte er nach Paris, wo er heute noch lebt. Daniel Kientzy ist ein renommierter Avantgardemusiker, der sich hauptsächlich der zeitgenössischen Klassik widmet und die Potentiale aller sieben Saxophontypen erforscht. Nebenbei beherrscht er auch virtuos Baß, Bratsche, Dudelsack und diverse Blasinstrumente.

Das erste Stück auf der vorliegenden CD , "Kientzy Loops", ist ein Mix aus sechs Alto-Saxophonen. "La Tortue de Mer" basiert auf der Arbeit des Mathematikers Marc Chemillier, der sich mit den Sandzeichnungen eines Stammes im südlichen Pazifik beschäftigt. Deren "Schildkrötenmuster" bestehen aus 103 Drehungen einer einzigen Linie, die von Tom Johnson in musikalische Sprache übersetzt wurden. "Narayana´s Cows" wiederum wurde von einem indischen Mathematiker aus dem 14. Jahrhundert inspiriert und wird von drei mal drei übereinandergelegten Saxophonen gespielt: die Melodie von Sopraninos, der Baß von Baritonen und der Drone von Altos. "Infinite Melodies" schließlich ist eine fast zwanzigminütige Komposition in vier Sätzen mit langen Pausen, die gegen Ende immer länger werden, bis das Stück schließlich ganz in Stille mündet.

Was an "Kientzy Plays Johnson" so erfreulich ist, ist die Tatsache, daß keines der Stücke in akademische Langeweile oder anstrengendes Virtuositätsgehabe ausartet. Die Kompositionen erinnern an frühe Werke eines Michael Nyman oder Wim Mertens - und bilden somit eine angenehme Möglichkeit, sich einmal genauer mit dem Saxophon beschäftigen zu können, ohne gleich von anstrengendem Gedudel erschlagen zu werden.

Walter Robotka