Musik_Opern eines (vermeintlichen) Rivalen
Salieri mal zwei
Die Geschichten, Erzählungen und Märchen bezüglich der Feindschaft zwischen Mozart und Salieri sind ebenso alt wie zahlreich. Heute würde man wahrscheinlich von Verschwörungstheorien und Lügenpresse sprechen ... Das Theater an der Wien konnte mit einem Salieri-Schwerpunkt demonstrieren, wie großartig der Komponist war - und warum ihm trotzdem die Genialität seines "Konkurrenten" Mozart fehlte.
02.11.2016
Das Theater an der Wien zeigte mit "Falstaff" erfreulicherweise eines der Meisterwerke des Venezianers Antonio Salieri, das 1799 ebendort (damals Kärntnertor-Theater) uraufgeführt wurde. 2016 hatte das Opernhaus den begabten Regisseur Torsten Fischer und den ebenfalls hervorragenden Dirigenten René Jacobs zur Hand.
Die beiden machten aus der allzu selten aufgeführten Shakespeare-Komödie ein optisches wie musikalisches Fest. Fischer ließ nur vordergründig eine Komödie spielen; dahinter bekam man oft den Verfall der Sitten, der Gesellschaft und generell der Menschheit zu spüren. Sir John Falstaffs dicker Bauch ist bei Fischer nur Staffage; in Wahrheit versteckt sich ein ansehnlicher Mann dahinter, der die Frauen und deren Männer reihenweise "auf die Schaufel" nimmt. Mit mehr oder minder unmoralischen Angeboten versucht er die vergebenen Damen zu "daten", wie man heutzutage sagt - und treibt damit deren Männer zur Weißglut.
Natürlich werden mit Falstaff nach Shakespeares Plan Scherze getrieben, wobei er heftig geschmäht wird. Fischer zeigt aber, daß diese Scherze und Schmähungen wie ein Bumerang direkt auf die Ausführenden zurückfallen. Ähnlich wie in Mozarts "Così fan tutte" herrschen am Schluß nur nach außenhin Spaß und Wonne; der Stachel der Treulosigkeit und Eifersucht sitzt zu tief, und das Mißtrauen gegenüber dem anderen steht dabei immer im Vordergrund.
Fischers Regiearbeit war ein echtes Ideenfeuerwerk. Man mußte die Handlung sehr aufmerksam verfolgen, um keine Pointe zu verpassen - ein echter Geniestreich des deutschen Regisseurs.
Erwartungsgemäß phänomenal war auch die musikalische Seite der Aufführung. Der deutsche Raritätensammler René Jacobs kam diesmal mit der Akademie für Alte Musik Berlin zu Besuch und demonstrierte, wie mitreißend Salieri sein kann. Daß Mozart echte Genialität besaß, wird auch nach dieser Aufführung niemand abstreiten - aber Jacobs ließ sehr schön hören, wie gehaltvoll auch Salieris Musik ist. Besonders einprägsam war die Schlafszene Falstaffs mit den tiefen Streichern; hier blickte der Komponist schon in Richtung Romantik.
Gesanglich war der Abend ebenso ein Fest, was vor allem Christoph Pohl als Falstaff und Robert Gleadow als Bardolfo zu verdanken war - und Anett Fritsch als hervorragender, rollendeckender Mrs. Alice Ford.
1786 fand in Versailles die Uraufführung der lyrischen Tragödie "Les Horaces" statt. Das musikalische Werk nach einer Vorlage von Horatius beschreibt die Schlachten zwischen den Römern und den Bürgern von Alba, selbstverständlich umrahmt von einer Liebesgeschichte.
Auch in dieser Aufführung waren wieder das hervorragende Ensemble Les Talens Lyriques und - passend zum Uraufführungsort - der Barockchor von Versailles unter Christophe Rousset zu hören. Der französische Barockspezialist machte aus der etwas sperrig anmutenden Oper ein interessantes Erlebnis. Die Riege der Solisten, aus der nur Baßbariton Jean-Sébastian Bou merkbar herausragte, war durchwegs gut.
Dennoch kann man in diesem Abend nicht mehr als den Versuch einer "Ehrenrettung" sehen; das Werk ist nicht zu Unrecht in kaum einem Theaterrepertoire vorhanden.
Herbert Hiess
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