Musik_Bruce Springsteen - The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story

The Boss’ Box

21 Songs verschwanden im Archiv - damals, vor mehr als 30 Jahren, als "Darkness on the Edge of Town" eingespielt wurde. Jetzt sind sie endlich zu hören: als Teil eines liebevoll gestalteten 6-Disc-Sets. Es war aber auch schon Zeit ...    10.03.2011

Er ist einer der erfolgreichsten und zugleich charismatischsten Vertreter der Rockmusik: Bruce Springsteen. Aufgewachsen in Freehold/New Jersey, stand für ihn bald fest, daß das Leben der Arbeiterklasse nur einen Ausweg bot - die Flucht mit der Gitarre.

Nach mehreren Jahren, in denen er mit unterschiedlichen Musikern auftrat, gründete er 1973 die legendäre E Street Band. Geprägt vor allem durch den Rock’n’Roll, aber ebenso beeinflußt von Folk, Country und Blues, entwickelte sich der einzigartige Sound dieser Formation, mit der Springsteen bis heute in nahezu identischer Besetzung unterwegs ist.

Wegen der Liedtexte wird seine Musik gern dem "Heartland Rock" zugerechnet, der das Alltagsleben der weißen Unterschicht thematisiert. Daß er selbst mit Millionen verkaufter Alben längst weit von jeglichem sozialen Elend entfernt ist, scheint das Publikum dabei nicht zu stören: Als "working class hero" ist er seit Jahrzehnten populär.

 

Drei Jahre nach dem Erfolgsalbum "Born to Run" - und einem Rechtsstreit mit seinem Manager, der sämtliche Veröffentlichungen verhinderte - präsentierten Bruce Springsteen & The E Street Band im Spätfrühling 1978 ihr viertes Studioalbum "Darkness on the Edge of Town".

Wärend im aufwendig produzierten "Born to Run" ein reichhaltiges Instrumentarium mit Klavier, Saxofon, Trompete und Hammond-Orgel dominierte, verzichtete man im Folgealbum auf derlei bombastischen Sound. Die Struktur der Songs war einfacher, aber kraftvoll, und die Instrumente hoben sich deutlicher voneinander ab; die Euphorie war dem Pessimismus und der Dunkelheit der 80er Jahre gewichen.

"There's less of a sense of a free ride in 'Darkness' than in 'Born to Run'. There's more a sense of: if you wanna ride, you're gonna pay, and you better keep riding. There's just a little more world awareness", meinte der Meister selbst dazu.

Es ist ein ein düsteres Bild vom gelobten Land Amerika, das in "Darkness on the Edge of Town" gezeichnet wird: Von der Flucht aus den "Badlands" über die Liebe und Bitterkeit zwischen Vater und Sohn in "Adam raised a Cain" bis zur wunderbar ruhigen Erzählung über Gestrandete in "Racing in the Street". Im titelgebenden Song vermeint man, Springsteens Unsicherheit über seine momentane Position zu hören - und zugleich die Vorstellung, wohin er gehen wird. Es ist ein großartiges Album, das alles enthält, um in die Geschichte der Rockmusik einzugehen.

 

Im November 2010 erschien nun das Set "The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story". Es beinhaltet nicht nur eine Remaster-Version der 78er-Aufnahmen - der Sound ist klarer als im Original -, sondern auch 21 neue Songs, die dem Boss damals offenbar nicht ins Konzept paßten; sowie unter anderem ein mit viel Liebe zum Detail gestaltetes, faksimiliertes Ringbuch.

Bereits beim Öffnen dieses Buches fühlt man sich in den Schaffensprozeß des Albums hineinversetzt. Persönliche Anmerkungen, Textvarianten, aber auch Unschlüssigkeiten und Zweifel - es ist, als würde man Bruce über die Schulter schauen.

Man könnte darüber spekulieren, warum er die 21 "verlorenen" Lieder seit damals unberührt liegenließ. Es handelt sich bei diesen zum Doppelalbum "The Promise" zusammengefaßten Songs um Outtakes, also um Songs zweiter Wahl. Der Großteil dreht sich um Liebe, Verlust und Einsamkeit. Manchmal scheinen die Themen etwas oberflächlich behandelt worden zu sein. Man spürt, daß Springsteen sich zu orientieren versucht und experimentiert. Dennoch: Daß Songs wie "One Way Street" (mit dem wunderbaren Saxophonspiel Clarence Clemons') oder "Ain’t good enough for you" (wo Springsteen durch die großen Rock’n’Roll -Songwriter seiner Zeit beeinflußt wurde) nicht bereits viel früher veröffentlicht wurden, bleibt völlig unverständlich.

 

Nicht zuletzt enthält die Box auch noch 3 DVDs: Bei "The Making of Darkness on the Edge of Town" handelt es sich um eine sehr gelungene Dokumentation über die Entstehung des Albums samt Interviews und interessanten Anekdoten. Neben informativen und ausgesprochen spaßigen Szenen bekommt man auch einen Einblick über die Hintergründe des Zerwürfnisses zwischen Springsteen und seinem damaligen Manager Mike Appell.

"Thrill Hill Vault" besteht aus zwei Teilen. Zum einen präsentiert es die Studioaufnahmen und einige Live-Versionen aus den Jahren 1976-78, und zum anderen das unglaubliche Konzert der Band im Paramount Theater, Asbury Park 2009. Bild- und Tonqualität lassen zwar oft zu wünschen übrig, aber darüber kann man hinwegsehen (und -hören); es handelt sich nun einmal um über 30 Jahre altes Material. Und bei den Aufnahmen dürfte es oft recht lustig zugegangen sein.

Die Studioeinspielung des "Darkness"-Albums vermittelt, ohne hektische Schnitte abgefilmt, die ganze Intensität des Werkes - eindeutig ein Highlight dieser Box. Im "Houston '78 Bootleg: House Cut" wiederum zeigt sich die ganze jugendliche Spielfreude der Band; ein paar der Stücke des Konzerts sollten übrigens erst auf dem späteren "The River" erscheinen.

 

Fazit: Das Set "The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story" ist hervorragend zusammengestellt und inhaltlich großartig; Vergleichbares dürfte schwer zu finden sein.

Für den Fan natürlich ein Pflichtkauf. Aber auch im Plattenregal bislang weniger Interessierter sollte dieses Stück Zeitgeschichte nicht fehlen. Wer Lust auf eine Reise zurück in die Siebziger und Achtziger der guten Rockmusik hat, wird um diese Box nicht herumkommen.

Rebecca Korb

Bruce Springsteen - The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story

ØØØØØ

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Columbia (2010)

 

3CDs + 3DVDs bzw. BluRay-Discs

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