Musik_Sonic Youth - Sonic Nurse

Alles beim genialen Alten

Seit ihrem Debüt "Bad Moon Rising" haben die New Yorker keine schlechte Platte gemacht - und ihren Sound bis zur Nummer 19 auch nie radikal verändert. Und das ist gut so.    21.06.2004

Als anläßlich von "NYC Ghosts & Flowers" Gitarrist und Musikgenie Jim O´Rourke als fixes fünftes Mitglied zu Sonic Youth stieß, konnte man eine leichte Stilveränderung feststellen: Die Band wurde ruhiger, dezenter und perfekter. Wenn man allerdings ihren bisher letzten Live-Auftritt in Österreich vor zwei Jahren gesehen hat, dann weiß man, daß diese Perfektion auch ihren Preis hat. Auf der Bühne sind Sonic Youth immer noch verspielt, extravertiert und experimentierfreudig. Eine kleine Portion dieser Haltung würde auch ihren Studiowerken keineswegs schaden.

Glücklicherweise weist das neue Album nun doch wieder mehr Ecken und Kanten auf und klingt nicht mehr so überproduziert wie die letzten beiden. Auf der Band-eigenen Homepage wird die Platte als eine Kreuzung aus frühen Fleetwood Mac und Black Flag bezeichnet... So ganz falsch mag das zwar nicht sein, doch die O´Rourkesche Handschrift ist auf jeden Fall auch nicht von der Hand zu weisen. Aber am meisten klingt "Sonic Nurse" nach Sonic Youth. Und das ist gut so.

Kim Gordon singt auch wieder eine ganze Menge der Songs; ansonsten gibt es eigentlich keine großen Überraschungen. Bei dieser Band ist das allerdings keine Kritik, sondern ein erleichtertes Aufatmen - denn warum soll man sich von einer nahezu perfekten Combo auch wünschen, daß sie ihren Stil ändert? Oder möchte jemand, daß Kraftwerk endlich ein Reggae-Album machen? Oder die Pet Shop Boys eine Metal-Scheibe?

Nett ist auch, daß der CD auch ein "Enhanced"-Teil beigefügt wurde (der ja mittlerweile eh auf fast allen Major-Releases nicht mehr fehlen darf. Denken die Großkonzerne vielleicht, so dem Herunterladen und CD-Brennen entgegenwirken zu können?) Wie auch immer - das Album ist äußerst ansprechend gestaltet und erscheint sowohl auf CD als auch Vinyl. Und das Bild in der Mitte des Booklets zeigt fünf sympathische Herrschaften: eine attraktive, aber immer ein wenig verlebt wirkende Kim Gordon, einen grauhaarigen Lee Ranaldo, den ewig bübischen Steve Shelley (der auf diesem Bild wie MTV-Moderator Markus Kavkas Zwillingsbruder aussieht), und Mastermind Thurston Moore, zeitlos jung. Ach ja, fast hätte man´s vergessen - es gibt doch noch eine Überraschung! Jim O´Rourke hat seine schwarzweiß gestreifte Hose ausgezogen und gegen eine braune eingetauscht!

Bleibt zu hoffen, daß Wien auf der anstehenden Europa-Tour nicht wieder links liegen gelassen wird, denn ein Gastspiel der wahrscheinlich besten Gitarren-Band aller Zeiten wäre mittlerweile längst überfällig. Mr. Moore verriet dem Autor dieser Zeilen in Salzburg auch, daß es nicht an der Band liegt - die würde gern wieder einmal hierher kommen -, sondern an einem Mangel an interessanten Angeboten. In diesem Sinne ergeht hier der Appell an alle Veranstalter: Wien braucht dringend ein Konzert von Sonic Youth! Danke.

 

 

Der EVOLVER verlost in Kooperation mit Universal Music Austria drei Exemplare von "Sonic Nurse". Mehr dazu auf unserer Gewinnspielseite (siehe Links).

 

Walter Robotka

Sonic Youth - Sonic Nurse

ØØØØ 1/2


Geffen/Universal (USA 2004)

Links:

Kommentare_

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