Musik_Gioacchino Rossini - "La Donna del Lago"
Schottische Traumwelt
Derart heftige Diskussionen über eine Regie hat es noch selten bei einer Opernproduktion gegeben: Christof Loys szenische Auslegung von Rossinis "La Donna del Lago" im Theater an der Wien war für den Zuseher tatsächlich sehr anspruchsvoll. Wer nicht von Anfang an aufmerksam der Handlung folgte, blieb ratlos - und das waren nicht wenige im Publikum.
27.08.2012
Regisseur Christof Loy, der 2011 schon mit seiner eigenwilligen Interpretation von Richard Strauss´ "Die Frau ohne Schatten" in Salzburg für heftige Diskussionen sorgte, setzte in der aktuellen Produktion von Gioacchino Rossinis "La Donna del Lago" insofern noch eins drauf, als er komplett gegen die Handlung und Musik arbeitete und ihm trotzdem eine geniale Regie gelang. Das Publikum war natürlich total verunsichert und ging Loy voll auf den Leim. Wer die Assoziationen des Regisseurs zur schottischen Story nicht verstand, fühlte sich dadurch offenbar an der Nase herumgeführt und reagierte verärgert.
Loy transferierte die komplette Handlung in den Kopf von Elena, in deren Phantasiewelt sich die Handlung in Schottland abspielte. Zentriert war alles um die Bühne auf der Bühne, wo teilweise Bezug auf die "Dame vom See" genommen wurde. Die einzige Referenz an das schottische Hochland war, daß einige Personen einen Kilt trugen; ansonsten blieb alles der Phantasie des Publikums überlassen - und die scheint den meisten Menschen abhanden gekommen zu sein. Loy gelang es trotzdem, aus der komplex-verworrenen Handlung eine verständliche Inszenierung aus einem Guß zu machen. Auch wenn ihn das in den Augen vieler garantiert nicht zum Publikumsliebling macht, kann man ihm nur raten, seinen Weg der ebenso ungewöhnlichen wie gelungenen Regien fortzusetzen.
Rossinis Musik in diesem Werk ist weit weg von den "Spielopern" ("La Cenerentola", "Der Barbier von Sevilla") und viel näher an "Wilhelm Tell", seiner letzten Oper. Ohne Rezitative (die ja oft nur die Spannung unterbrechen) zeigte der Komponist, wie fesselnd eine solche durchkomponierte Oper sein kann. Große Chorszenen, faszinierende Ensembles und hochvirtuose Arien wechseln sich ab. Den Solisten schenkte Rossini dabei absolut nichts. Das ist zum einen der Grund dafür, daß man diese Oper nur mit absoluten Spitzensängern aufführen darf - und zum anderen, warum sie so selten gespielt wird.
Diesmal waren jedoch wirklich Sänger von Weltklasse zu hören und zu sehen - allen voran Malena Ernman als Elena, die mindestens so gut ist wie Elina Garanca. Darüber hinaus brillierten zwei höhensichere Tenöre auf der Bühne, wobei der Amerikaner Gregory Kunde Spitzenklasse ist. Mit einer relativ schweren, dramatiklastigen Stimme bewältigte er nicht nur strahlend jede Höhe, sondern schaffte phantastisch die schwierigen Koloraturen. Noch besser in den Koloraturen war der Brasilianer Luciano Botelho; dafür merkte man deutlich, daß er bei den Höhen zu falsettieren begann. Beeindruckend wirkte auch der Baß von Maurizio Muraro, der als König Douglas (und Elenas Vater) überzeugte.
Der Schoenberg-Chor war nach seiner schwachen Leistung im "Hoffmann" wieder auf voller Höhe, auch das ORF-Orchester unter dem Briten Leo Hussain spielte großartig. Der Dirigent ließ in den knapp drei Stunden ein reines Rossini-Feuerwerk hören, das Orchester brillierte bis zur letzten Stimme, und die Spannung war bis zum Schluß spürbar. Sehr beeindruckend war auch, wie der Maestro dem Ensemble manche Pianissimi entlockte - gerade die machen ja die Qualität eines Orchesters aus. Den Namen Leo Hussain wird man sich wohl merken müssen ...
Herbert Hiess
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