Richard H Kirk - Earlier/Later
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Mute/EMI (GB 2004)
Nach "Untone Unreleased Project Volume 2" und der neuen Sandoz-Doppel-CD wirft Mute gleich den nächsten Archivknüppel auf den Markt: eine Kirk-Soloplatte. 25.06.2004
Teil 1 von "Earlier/Later" trägt Unveröffentlichtes aus den goldenen Jahren von Cabaret Voltaires Früh-Elektro-Zeit zusammen. Als einziger bisher gehörter Titel findet sich darauf der großartige Maxi-Remix von "Martyrs of Palestine"; alle anderen Nummern stammen ganz tief aus Kirks persönlichem Archiv und waren bisher unter einer dicken Staubschicht begraben. Die Aufnahmen wurden kaum remastert, und Mute weist deutlich darauf hin, daß etwaige Clicks und Kratzer zwar nicht immer beabsichtigt sind, aber zumindest niemanden stören sollten.
Gleich zu Beginn eröffnet ein waschechter verlorener Hit das erste Album: Das zehnminütige "Never Lose Your Shadow" wurde nie auf Vinyl gepreßt, und das, obwohl es ein absoluter Kirk-Klassiker ist, auf dem der Meister sogar selbst zum Mikro greift und singt. Die Can-Coverversion "I Want More" zeigt ihn von seiner poppigeren Seite, danach folgen einige weniger spektakuläre Tracks aus den späten Achtzigern. Besonders interessant daran ist die Tatsache, daß man die Nummern mit ihren Jahreszahlen eindeutig den zu jener Zeit entstandenen Cabaret-Voltaire-LPs zuordnen kann. Wahrscheinlich handelt es sich bei einer beträchtlichen Anzahl der Stücke um Voltaire-Demos, zu denen Stephen Mallinder einfach nie einen Gesangs-Part eingespielt hat. Die Highlights dieser Nummern sind "On Fire", das wie ein Outtake aus dem Album "The Arm of the Lord" klingt, sowie einige Tracks aus den Jahren 88/89, die man als Vorstudien zum CV-Popalbum "Groovy Laidback and Nasty" ansehen könnte.
Der wirkliche Hammer ist aber eindeutig CD 2. Hier werden frühe experimentelle Stücke mit wenigen Beat-lastigen Intermezzi vermischt, und man findet so manches Gustostückerl aus der Phase von "Time High Fiction", mit altmodisch klingenden Synth-Drums und Kirks eigenwilligem Saxophonspiel. Warum er damals diese Songs nicht veröffentlicht hat, bleibt unverständlich, schlagen doch 90 Prozent davon locker all das, was seinerzeit (und heute) auf Platte zu haben war und ist. Beeindruckend, daß etwa ein Drittel der Tracks noch aus der Zeit vor dem legendären Western Works Studio stammt und im Kirkschen Elternhaus unter einfachsten Bedingungen aufgenommen wurde. Besonders die Stücke aus den siebziger Jahren vermögen den Cabaret -Voltaire-Experten zu verblüffen: Während die Band damals noch ihre Punk-Wurzeln durchklingen ließ und mit "Nag Nag Nag" einen beachtlichen Hit hatte, bastelte ihr Mastermind schon an episch angelegten Elektronikkompositionen, die erst Jahre später einem Publikum zugänglich gemacht wurden.
Einen sympathischen Hang zur Selbstironie beweist der Musiker auf seine alten Tage auch noch - das Cover der CD zieren zwei Jugendphotos des sonst so scheuen Sound-Tüftlers. Beide wurden im Jahr 1974 von einem Photoautomaten im Italienurlaub aufgenommen. Die Bilder zeigen einen unfreiwillig komischen jungen Rebellen im quergestreiften T-Shirt und mit Plastiksonnenbrille; die Vokuhila-Frisur erinnert an die besonders ästehtischen Seventies (und auch an die Eighties, wenn man Herrn Bono von U2 berücksichtigt). Kirk selbst sagte in einem Interview zur vorliegenden CD, daß er über die zeitlose Qualität der frühen Aufnahmen selber überrascht gewesen sei und die Archiv-Tracks eigentlich der Sound seien, den er heute machen sollte. Wenn man aktuelle Platten dieses großartigen Musikers hört, muß man ihm leider Recht geben: Solch gewaltige Stücke finden sich in seinen neuen Produktionen leider nicht mehr.
Richard H Kirk - Earlier/Later
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Mute/EMI (GB 2004)
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