Musik_Barockoper als schrilles Theater
Göttliche Intrigenspiele
Nach zweijähriger Pause kam das Publikum des Theaters an der Wien wieder in den Genuß einer Oper von Jean-Philippe Rameau, mit der man den 2009 angekündigten Zyklus um den französischen Barockkomponisten fortsetzte. Aber leider ist gut gemeint nicht immer wirklich gut: Der ansonsten brillante Regisseur Robert Carsen setzte diesmal eine Produktion ziemlich in den Sand ...
14.03.2014
Der kanadische Regisseur Robert Carsen hat schon einige Produktionen im Theater an der Wien inszeniert - darunter auf unnachahmliche Art Benjamin Brittens "The Turn of the Screw". Bisher kannte man ihn immer als einfühlsamen und subtilen Interpreten der Libretti. Bei Jean-Philippe Rameaus Ballettkomödie um die häßliche Zaubernymphe "Platée" warf er seine genialen Ideen allerdings über Bord und ließ sich dazu verleiten, das Werk trotz vieler faszinierender Einfälle manieriert und überzeichnet in Szene zu setzen, sodaß viele Gelegenheiten einer subtilen Interpretation quasi übergangen wurden.
Schade - gerade Rameaus 1745 uraufgeführtes Werk ist nämlich nicht gerade eines der stärksten des Komponisten. Die Handlung um ein göttlich-mythologisches Intrigenspiel wurde von Carsen in die heutige Zeit transferiert, was nicht unbedingt ein Fehler sein muß. Doch schon die Idee, die Handlung in der französischen Modeszene spielen zu lassen, hätte man interessanter gestalten können. Und warum alle Szenen derart derb und schrill waren oder das Götterpaar Jupiter und Juni (griechisch: Zeus und Penelope) sich als Karl Lagerfeld und Szenefrau zeigen mußte, das kann wahrscheinlich nicht einmal der Regisseur schlüssig erklären.
Als "La Folie" hatte Robert Carsen mit der deutschen Sopranistin Simone Kermes eine zu seinem "Konzept" passende Darstellerin an der Hand. Die Sängerin mit ihrem überschäumenden Temperament verkörperte eher ein Pop-Starlet à la Madonna als eine Operndiva. Ihre große Arie sang sie mit Mikro und mit Bewegungen, die absolut nicht zur Musik paßten. Und der Chor mimte erfolglos ein fanatisches Publikum, das mehr von der Musik ablenkte als zu ihr hinführte.
Zeitweise zeigte die Produktion dafür immer wieder sehr schöne Einfälle (zum Beispiel, als die Balletttänzer im zweiten Akt mit Wölkchenkostümen auftraten, während der Himmel besungen wurde), aber das verbesserte den Gesamteindruck leider nicht entscheidend. Nicht einmal der wirklich gelungene und berührende Schluß, bei dem sich die enttäuschte Platée Amors Pfeil in die Brust rammte, entschädigte für die restlichen Lästigkeiten.
Gesanglich war die Aufführung durchwegs sehr gut, wenn auch bis auf Marcel Beekman als Platée kein Künstler überdurchschnittlich hervorstach. Ärgerlich war dafür die Leistung des ansonsten großartigen Orchesters Les Arts Florissants. Dessen Chef William Christie mußte die Aufführungsserie wegen einer Operation absagen; der zweite Konzertdirektor des Orchesters sowie Tenor Paul Agnew übernahmen diese Serie. Offenbar waren Dirigent und/oder Orchester aber an dem Abend nicht besonders gut im Einklang; abgesehen von einigen unpräzisen Einsätzen fehlten Inspiration und Klangsinn völlig. Das Schlagwerk beispielsweise, das Rameau gekonnt vor allem bei den Ballettszenen einsetzte, war kaum hörbar, und die Streicher ließen nicht nur einmal einen ungewohnt "breiigen" Klang vernehmen.
Damit hat man die Chance zur Wiederbelebung von Rameaus Werken ziemlich vertan. Hoffentlich kann sich das Theater an der Wien beim nächsten Mal wieder von einer besseren Seite zeigen.
Herbert Hiess
Kommentare_