Musik_Placebo - Once More With Feeling

Androgyn und intensiv

Eine Reise durch eine zehnjährige Band-Karriere, bei der der künstlerische Anspruch im Dunkeln bleibt. Die Tracklist eines Live-Auftritts, nur nicht live. Gut, aber unspektakulär.    13.12.2004

Sex sells. Von diesem Stoff haben Placebo in ihren zehn Jahren Band-Geschichte genug verstreut - auf Plakatwänden, in Booklets, auf Konzerten und in fast 100 Songs. Auf "Once More With Feeling: Singles 1996-2004" sammelten sie diese energetischen Spannungen, das Außergewöhnliche in ihren Erscheinungen und das anrüchig Schlüpfrige in ihren Songs zusammen. 19 Tracks gibt ihre Werkschau für ein "Hit-Album" her, das von weichen Punkrock-Klängen wie in "Teenage Angst" und "Nancy Boy" einen Weg über verstörende Balladen ("Pure Morning", "Without You I’m Nothing") bis zu romantisch-melancholischen Ansätze wie in "Every You Every Me" zeichnet.

Garniert ist die vorliegende Zusammenstellung der von all den genannten Entwicklungsstufen geprägten Band mit einer herrlichen Portion Androgynität, die nicht nur von Miss Molko, sondern vor allem vom langjährigen (und bekennend homosexuellen) Bassisten Stefan Olsdal in den einzelnen Songs sowie Bildern im Booklet dieser Compilation getragen wird. Die unvergleichlich prägnante, leicht näselnde Stimme Molkos erzählt mit korrekt intonierten Noten, wütenden Schreianfällen und auch mit stoischer Ruhe Geschichten, die in einer Rock´n´Roll-Karriere zwischen Liebe, Drogen und sozialkritischen Anwandlungen geschrieben werden. Der Trumpf, den Placebo bis zuletzt perfekt auszuspielen wußten, ist die geniale und dauernde Gratwanderung zwischen Introvertiertheit und den offen zur Schau gestellten Verrücktheiten einer Diva. Dieses intensive Hin und Her, auch in ihren Songs, und nicht der genaue Mittelweg machten Placebo zu einer Band, die selbst in Österreich innerhalb von nur wenigen Monaten - wie im Frühling/Sommer 2003 - dreimal vor vollem Haus auftreten kann. Nicht umsonst dürfte Mastermind Brian Molko Schauspiel studiert haben.

Mit den neuen Songs "I Do" und vor allem der Single "Twenty Years" wenden sich Placebo von aggressiven und nach vorne preschenden Gitarrenwänden ab. "I Do" mutet für Placebo-Verhältnisse fast experimentell an, und die vielschichtige Gesangslinie läßt eine Placebo-untypische Struktur erkennen. Die aktuelle Single hingegen verschreibt sich ganz klassisch balladesken Elementen.

Wenn diese weitere Entwicklungsstufe Placebos genug Atem für ein ganzes Album hätte, wäre sie auf jeden Fall interessanter als diese Compilation. Die vereint zwar alle kommerziellen Hits auf einem Silberling und kann einen roten Faden durch die Entwicklungsstufen Placebos ziehen; der künstlerische Anspruch ist jedoch gering. Da sollte man Brian Molko und Co. lieber bei einem Konzert zuhören, wenn sie die Songs dieser "Greatest Hits"-Scheibe intonieren - und sich dabei vom Sex der zehnjährigen Band-Geschichte verzaubern lassen. Denn der verkauft sich bei Placebo live immer noch am besten.

David Krutzler

Placebo - Once More With Feeling: Singles 1996-2004

ØØØ


Hut/EMI (GB 2004)

 

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