Musik_Jacques Offenbachs "Barbe-Bleue" bei der Styriarte
Blaubart in Graz
Die Styriarte 2013 steht unter dem Motto "Gefährliche Liebschaften"; das Festival ist um Jacques Offenbachs Opéra-bouffe "Barbe-Bleue" zentriert. In der Grazer List-Halle demonstrierten Vater und Sohn Harnoncourt, wie man Offenbach vom Cancan-Kitsch befreien und mit einem erlesenen Ensemble zum Leben erwecken kann. Selten sind dem EVOLVER-Klassikexperten dreieinhalb Stunden so kurz vorgekommen.
08.07.2013
Nikolaus Harnoncourt hatte schon immer eine Schwäche für den französischen Komponisten Jacques Offenbach, was er schon mehrmals in Zürich und auch bei der Styriarte bewiesen hat. Operettenkitsch ist ihm seit jeher ein Greuel; auch diesmal hat er also Offenbachs großartige Musik von jedem Zuckerguß befreit und mit dem Chamber Orchestra of Europe eine Sternstunde à la française serviert.
Der steirische Maestro ist und war nie ein technisch hochbegabter Taktschläger. Mit seinem profunden Wissen, seiner fast übertrieben akribischen Arbeitsweise und nicht zuletzt seinem Charisma schafft er es trotzdem, sowohl die Künstler als auch die Musiker und nicht zuletzt das Publikum zu überzeugen. Sein phantastisches und viel zu selten in Österreich auftretendes Orchester verleiht jedem Takt der Polkas, Polonaisen und Chorszenen seine Bedeutung. Selbst die ansonsten so beiläufig gespielten Melodramen sind hier von Leben erfüllt.
Das Libretto der "Soft-Variante" über den Frauenmörder Blaubart verfaßten Henri Meilhac und Ludovic Halévy, die auch die Urheber des "Carmen"-Librettos sind. Sie schrieben die mörderische Sage um Herzog Blaubarts Damenverschleiß in eine operettentaugliche Version mit Happy-End um, in dem dann jede der totgeglaubten Damen Blaubarts mit den totgeglaubten vermeintlichen Nebenbuhlern des Königs Bobéche verkuppelt wird. Blaubart bekommt am Schluß dann die sehr rustikale Boulotte.
In dieser Produktion verkörperte Elisabeth Kulman großartig das "bauerntrampelhafte" Wesen. Da die Dialoge hier auf deutsch gesprochen wurden, konnte die exzellente Sängerin im heftigsten "Stoasteirisch" brillieren. Ihre Musiknummern wurden von ihrem edlen Mezzo getragen, bei dem man nicht nur einmal die "Carmen" durchhören könnte. Die Sängerin wäre eine Empfehlung auch für österreichische Opernhäuser - und nicht nur in Hamburg, wo sie die Rolle bereits gesungen hat.
Auch die anderen Sänger standen ihr um nichts nach; allen voran Johannes Chum, der Steirer aus Vorau als Blaubart selbst. Mit seinem brillanten Tenor war er Kulmans idealer musikalischer Partner. Ebenso großartig sangen und spielten Sophie Marin-Degor als Fleurette und Markus Schäfer als Prinz Saphir.
Harnoncourts Sohn Philipp hat schon oft mit seinem Vater zusammengearbeit und verkauft die Grazer Produktionen immer als "halbszenisch". Das ist reine Untertreibung - es war schlicht genial, wie er Licht und heuer vor allem Videos auf der einfach gehaltenen Bühne in der ehemaligen Industriehalle einsetzte. Pointenreiche Dialoge, beeindruckende Personenführung und viele kabarettistische Einlagen rundeten die Aufführung ab. Daß die Videos als Bühnenhintergrund öfters verwackelt waren, läßt sich in Zukunft sicher beheben. Die Aufführung hat nämlich szenisch mehr Biß und Virilítät als so manche "vollwertige" Inszenierung.
Ob in einem Dialog allerdings ein product placement zugunsten des Hauptsponsors (der führenden steirischen Tageszeitung) vorkommen muß, ist und bleibt Geschmacksache. Vater Nikolaus hatte vielleicht nicht wirklich große Freude daran ...
Herbert Hiess
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