Nico - The Frozen Borderline 1968-1970
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Rhino/Warner (GB 2007)
Das US-Spezialistenlabel Rhino Records veröffentlicht zwei der besten LPs der einstigen Velvet-Underground-Sängerin als Doppel-CD wieder - gespickt mit unveröffentlichtem Material und in edler Aufmachung. 20.03.2007
Nico kennt man vor allem als Sängerin auf dem ersten Velvet-Underground-Album, wo ihre Songs der melodische Ausgleich zum psychedelischen Geschrammel von Lou Reed und Konsorten sind. Daß sie nach ihrer Zeit als Model und Warhol-Muse auch einige wirklich bemerkenswerte Soloalben hervorgebracht hat, ist dagegen weitaus weniger bekannt. Schon ihre dunkle Stimme, der deutsche Akzent und ein sehr ungewöhnlicher Gesangsstil sind Gründe dafür, daß ihr eine größere Hörerschaft bis heute verwehrt blieb. Hat man sich jedoch erst einmal in den ganz eigenen Kosmos der Ausnahmekünstlerin eingehört, finden sich hinter all der vordergründigen Traurigkeit auch Momente von berührender Schönheit.
Mit "The Frozen Borderline 1968-1970" werden die beiden großartigen Alben "The Marble Index" und "Desert Shore" erneut ins kollektive Gedächtnis gerufen, um so einer nach wie vor völlig unterschätzten Musikerin Tribut zu zollen. Mit "The Marble Index" beginnt auch ein neues Kapitel in Nicos Schaffen, das sich vom ersten Soloalbum "Chelsea Girl" - auf dem Nico Lieder von Jackson Browne, Bob Dylan und Lou Reed als unbeschwerte Chansons interpretiert - massiv unterscheidet. Das blonde, engelsgleiche Photomodell färbt sich plötzlich die Haare dunkel, begleitet seinen Gesang auf dem Harmonium und schreibt von nun an alle Lieder selbst. Die düsteren und abstrakten Klangwelten sowie die kryptischen Texte, die häufig in einer Art Fantasy-Welt angesiedelt sind, haben nichts mehr mit der gelangweilten Eleganz früherer Aufnahmen zu tun. Unterstützt wird Nico dabei von ihrem ehemaligen VU-Band-Kollegen John Cale, der als Arrangeur und Produzent den Sound beider Alben entscheidend mitprägte.
Mit Rock im klassischen Sinne oder der Kategorie Singer/Songwriter hat die Musik eher wenig gemeinsam; vielmehr wird hier ein ganz eigener Kosmos kreiert, der bis heute in der Musikgeschichte seinesgleichen sucht. Durch die sich überlagernden Klangflächen und den kühlen, deklamatorischen Gesang entwickeln die Songs eine Sogwirkung, die einen immer weiter in die geheimnisvolle und fremde Welt Nicos hineinzieht. Ein gutes Beispiel dafür ist "Evening of Light", auf dem zu minimalistischen, immer lauter werdenden Mandolinenklängen dieselben Textzeilen wie ein Mantra wiederholt werden und sich kreischende Geräusche zunehmend in den Vordergrund drängen.
Während Songs wie "Frozen Warnings" und "Afraid" noch an die Zeit mit Velvet Underground erinnern und "Janitor of Lunacy" und "Ari´s Song" etwas von traditionellen Klagegesängen haben, gibt es in den deutschsprachigen Liedern "Mütterlein" und "Abschied" von "Desert Shore" deutliche Anklänge ans Mittelalter. Neben ihrer Vorliebe für dunkle Gefühlszustände ist das auch ein Grund dafür, daß Nico in Gothic-Kreisen bis heute geschätzt wird. Unter den bisher unveröffentlichten Outtakes befindet sich mit "Sagen die Gelehrten" noch ein weiteres dieser äußerst raren deutschsprachigen Lieder, das durch seine ungewohnt rockig-psychedelische Begleitung erfreut.
Abgesehen von der Wiederentdeckung dieser beiden Alben sind auf "The Frozen Borderline" zusätzlich noch alle Titel in alternativen Versionen vertreten. Das mit Streichern unterlegte "No One Is There" und das A-cappella-Stück "Nibelungen" gibt es etwa auch mit Harmoniumbegleitung zu hören. Damit ist diese Veröffentlichung ein Pflichtkauf für alle Fans und all jene, die es noch werden wollen.
Nico - The Frozen Borderline 1968-1970
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Rhino/Warner (GB 2007)
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