Musik_La Finta Giardiniera
Aus dem Garten der Lüste
Eine Gärtnerin ist offenbar nicht nur dazu auf der Welt, grüne Pflanzen zu säen, zu hegen, pflegen und zu ernten. Nein, sie kann auch die Pflanze der Liebe so behandeln - und das in einer turbulenten Komödie, die von Mozart genial vertont wurde. Die Oper war soeben im Theater an der Wien in einer großartigen Aufführung zu hören und zu sehen.
29.11.2010
Wolfgang Amadeus Mozart führte 1775 (also mit 19 Jahren) erstmals diese Oper auf, die den Grundstein für seine berühmteren Opernwerke legte. "La Finta Giardiniera" (sehr frei übersetzt: "Die Gärtnerin aus Liebe"; korrekt wäre der deutsche Titel: "Die gerissene Gärnterin") ist nach musikwissenschaftlicher Definition eine "Opera semiseria", was soviel wie "halbernste Oper" bedeutet.
In der eigentlich banalen Handlung geht es um drei Paare, die nach fast vierstündigen Turbulenzen letztlich zusammenkommen, und um den reichen Herrn Podestà, in dessen Haus sich das alles abspielt. Genaugenommen ist die "Gärtnerin" der Vorläufer von "Così fan tutte", wo sich die zwei Paare um Don Alfonso und das Hausmädchen Despina ein großes Verwirrspiel liefern.
Mozarts Musik ist hier keine Untermalung, sondern vielmehr der Hauptbestandteil der Oper. Hier hört man schon den "Figaro", den "Don Giovanni" usw. heraus - man könnte sagen, daß die Oper eine Vorstudie für seine großen Werke ist.
Genauso inszenierte der Amerikaner David Alden das Werk auch. Vordergründig wird die Story zwar lustig und turbulent erzählt, doch der Regisseur läßt die drei Paare am Schluß resigniert zurück, obwohl sie "glücklich" zueinandergefunden habe. Manchmal war Aldens Regie vielleicht etwas zu kindisch. So ist beispielsweise schwer zu verstehen, warum Podestà bei der Gerichtsszene als Mussolini verkleidet sein muß. Das war aber auch schon der einzige Ausrutscher; insgesamt war Aldens gesamte Regie schlüssig, intelligent und interessant - und trotz der fast vier Stunden Spieldauer keine Sekunde langweilig.
Ebensowenig langweilig war die großartige musikalische Interpretation von René Jacobs. Der belgische Barockspezialist triumphierte mit dem Freiburger Barockorchester auf ganzer Linie. Jacobs sorgte nicht nur für einen transparenten und spannenden Orchesterklang, sondern begleitete die Sänger auch immer rücksichtsvoll und trieb sie sowie die Orchestermusiker zu Höchstleistungen an.
Die Rezitative, die oft mehr Qual als Freude sind, machte Jacobs zum Spektakel. Hammerklavier und Cello waren die Protagonisten, bei manchen Stellen gesellte sich ein Fagott dazu. Jacobs behielt bis zu jeder gesungenen Silbe die totale Kontrolle, jedes Rezitativ wurde peinlichst genau "ausdirigiert". Dabei gingen niemals die Spannung und der Witz verloren.
Die Sänger waren gleichmäßig auf höchstem Niveau, herausragend vor allem die Belgierin Sophie Karthäuser als Gärtnerin Sandrina und die Koreanerin Sunhae Im. So macht ein Opernbesuch wahrlich Freude - warum manche Leute diese Produktion ablehnen, ist schlicht unverständlich. Nach knapp vier Stunden verließ man das Theater an der Wien in beseelter Stimmung. Und genau so soll ein Opernbesuch auch enden.
Herbert Hiess
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