Musik_New York Philharmonic & Lorin Maazel - Strauss

Der Konzertmeister

Fragen Sie junge Musikfreunde, wer Lorin Maazel ist. Die meisten werden ihn nicht kennen und keine Ahnung haben, daß er drei Jahre lang Direktor der Wiener Staatsoper war. Schuld daran sind die üblichen österreichischen Besserwisser.    08.05.2007

Bei der Deutschen Grammophon ist eine neue Ära angebrochen: Die Tonträgerfirma bietet im Rahmen des Programms "DG Concerts" seit kurzem Live-Mitschnitte auf iTunes an, wo die Aufnahmen käuflich erworben werden können. Interessanterweise sind fast alle angebotenen Downloads Konzerte aus dem amerikanischen Raum - was ihrer Qualität natürlich keinen Abbruch tut.

Als Appetizer auf die Download-Serie hat Universal jetzt eines der Konzerte als konventionelle CD aufgelegt und damit sozusagen "Lust auf mehr" gemacht. Der Mitschnitt wurde bei einem Konzert des New York Philharmonic Orchestra unter Lorin Maazel erstellt; als Hörer kann man sich auf ein reines Richard-Strauss-Programm freuen. Schließlich war der deutsche Komponist auf den Konzertprogrammen des amerikanischen Star-Dirigenten schon immer gern gesehen.

Lorin Maazel, der heuer seinen 77. Geburtstag feierte, hat eine beispiellose Weltkarriere hinter (und hoffentlich noch lange vor) sich, die eigentlich nur zwischen 1982 und 1984 einen von ihm unverschuldeten Knick erlitt. Damals war er nämlich Direktor an der Wiener Staatsoper. Zwar bot er in dieser Zeit dem Wiener Opernpublikum viele der schönsten Aufführungen und brachte die Philharmoniker in der Oper und auch auf dem Konzertpodium zur Höchstform - doch er hatte nicht mit den üblichen üblen Intriganten und Besserwissern der österreichischen Journaille gerechnet. Einer der Anführer dieser Meute war der mittlerweile längst verblichene (und zu Recht vergessene) Franz Endler. Der wäre eigentlich nicht näher erwähnenswert, kommt hier aber zu dokumentarischen Zwecken trotzdem vor, weil seine Rolle in dieser miesen Show so einzigartig war. Seine Anti-Maazel-Artikel über die Jahre gipfelten in einer unerquicklichen Affäre um einen Brief, der angeblich aus der Hand Endlers stammte, aber von einem Politiker abgeschickt wurde - worauf sich der Maestro verständlicherweise entschloß, das Handtuch zu werfen. Von da an ging´s bergab, und die Wiener Oper muß sich heute mit einer Direktion herumschlagen, der man allerlei Böses nachsagen könnte. Aber dazu ist hier nicht der rechte Ort.

Wenden wir uns lieber schönen Dingen zu - nämlich der vorliegenden CD. Die Konzertaufnahme ist eine der besten Neuerscheinungen der letzten Zeit. Maazel, der immer schon eine starke Affinität zu Richard Strauss hatte, offeriert damit ein Lehrstück für Dirigenten. Ob bei den Tondichtungen "Don Juan" oder "Tod und Verklärung", dem Tanz aus "Salome" oder der Suite aus "Der Rosenkavalier" - Lorin Maazel ist überall in seinem Element und zaubert mit dem amerikanischen Orchester ein Wiener Flair, das "die Unsrigen" oft nicht zusammenbringen. Bei den zwei Opernstücken merkt man nur zu deutlich, wie sehr man den Maestro am Pult der Oper vermißt.

Hoffentlich bleibt diese CD nicht der einzige konventionelle Tonträger der neuen Edition. Downloads sind ja bekanntlich - vor allem unter Klassikfreunden - nicht jedermanns Sache. Und derart fabelhafte Konzerte sollte man Normalkonsumenten einfach nicht vorenthalten.

 

Termin-Tip: Live kann man sich von dem fabelhaften Orchester sowie dem Stardirigenten Maazel am 6., 8. und 9. Mai im Wiener Konzerthaus begeistern lassen.

Herbert Hiess

New York Philharmonic & Lorin Maazel - Strauss

ØØØØØ


Lorin Maazel dirigiert Richard Strauss: Don Juan, Tod und Verklärung, "Tanz der Sieben Schleier" aus Salome, Rosenkavalier-Suite

 

Deutsche Grammophon (D 2007)

 

(Photo: © Terry)

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