Claudio-Abbado-Edition: Vol. 1-3
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(jeweils fünf CDs)
Sony BMG (D 2008)
Werke von Dvorak, Beethoven, Mozart, Mahler, Tschaikowsky u. a.
Berliner Philharmoniker
Das Karajan-Jahr 2008 ist sogar bis in die Boulevard-Redaktionsstuben vorgedrungen; daß im selben Jahr aber auch einige andere Star-Dirigenten einen runden Geburtstag feiern, haben nicht nur die meisten Redakteure, sondern schändlicherweise auch die Kulturverantwortlichen vergessen. EVOLVER-Klassikexperte Herbert Hiess erinnert. 08.10.2008
Eine der wichtigsten Jubilare des Jahres ist Claudio Abbado, der heuer am 26. Juni seinen 75. Geburtstag beging. Der italienische Maestro war lange Zeit in Wien hoch angesehen und mehr als vielbeschäftigt. Zusammen mit Claus Helmut Drese war er von 1986 bis 1991 Direktor an der Wiener Staatsoper, wo er natürlich genauso wie Lorin Maazel gemobbt wurde; zudem war er Generalmusikdirektor von Wien, Hauptdirigent der Wiener Philharmoniker und ab 1989 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.
Abbado hat sich nach seiner schweren Krebserkrankung immer mehr von den "großen" Orchestern zurückgezogen und auf diverse "Spezialorchester" (European Chamber Orchestra, Lucern Festival Orchestra, Gustav Mahler Chamber Orchestra etc.) konzentriert. Waren seine Interpretationen früher nicht immer die mitreißendsten, so sind gerade die mit den obenerwähnten Orchestern die hörenswertesten. Doch auch seine späten Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern gehören zu den besten Produktionen: ganz großartig etwa die Beethoven-Symphonien, die er trotz der erst einige Jahre alten Studioaufnahmen noch einmal aufnahm - und zwar als "Derivat" von DVD-Aufzeichnungen.
Transparenter und noch feinfühliger interpretierte er die Beethoven-Symphonien; dagegen ist die Box mit den Wiener Philharmonikern mehr als entbehrlich. Die Plattenfirma Universal hat zum Abbado-Jubliäum auch die späten Mozart-Symphonien und die Mozartschen Violinkonzerte mit dem Mahler Chamber Orchestra aufgelegt. Bei beiden Aufnahmen übertrifft sich Abbado selbst - einfach wunderbar, wie Giuliano Carmignola mit der Geige brilliert. Gleichzeitig erschienen die Beethoven-Klavierkonzerte mit den Berliner Philharmonikern und Maurizio Pollini. Als besonderes Schmankerl ist dabei das Tripelkonzert von Beethoven mit dem Simón Bolívar Youth Orchestra zu nennen, das Abbado das erste Mal für eine Plattenaufnahme dirigierte. Das venezulanische Jugendorchester animierte den Maestro derart, daß dieses Tripelkonzert allein die ganze Box hörenswert macht.
Absolut hörenswert sind auch drei Boxen mit jeweils fünf CDs der Sony/BMG-Gruppe. Abbado und die Berliner Philharmoniker beweisen gerade hier ihre ungeheure Vielfalt. Ob bei der 8. Symphonie von Dvorak, der 9. von Beethoven, der Faust-Szenen, Mahler-Liedern, Mussorgsky-Orchesterwerken oder Luigi Nono - für Abbado-Fans sind diese drei Schachteln ein "Muß".
Ein merkwürdigerweise fast völlig ignorierter Welt-Star ist Leonard Bernstein. Er war eines der wenigen echten Genies der Klassikszene und hätte heuer am 25. August seinen 90. Geburtstag gefeiert. All jene Kulturverantwortlichen und -organisationen, die sich zu Lebzeiten bei Bernstein anstellten, um ihm in den Allerwertesten zu kriechen, haben diesen runden Geburtstag anscheinend "vergessen". Der Maestro, der den Musikfreunden in Wien unvergessene Sternstunden schenkte, hätte sich mehr verdient. Recht peinlich ist übrigens auch, daß man vor Jahren eine häßliche unterirdische Straße in der Donau-City nach ihm benannt hat - soviel zur Wiener Kultur. Wenigstens die Wiener Opernfreunde veranstalten zum Andenken an den großen Dirigenten eine Matinee am 12. Oktober 2008 in der Kammeroper (wegen "zahlreichen" Interesses mußte die rührige Organisation das ursprünglich vorgesehene Ronacher stornieren).
Offenbar ganz vergessen hat man in Wien auch auf Sir Colin Davis, der vergangenes Jahr seinen 80. Geburtstag beging. Davis, der niemals auf Star-Kult setzte, sondern sich lieber auf seriöses und großartiges Musizieren konzentrierte, war in Wien viel zu selten zu Gast. Er hatte einige superbe Konzerte mit den Wiener Philharmonikern, einige Gastauftritte mit seinen Orchestern und ganz selten Auftritte in der Wiener Staatsoper. Die von ihm geleitete Premiere von Massenets "Werther" ist heute noch in greifbarer Erinnerung.
Jetzt gibt es eine Gelegenheit, den Sir auf Tonträger zu genießen. Sir Colin Davis produzierte mit dem jungen Evgeny Kissin eine Box mit allen fünf Klavierkonzerten von Beethoven. Kissin, der noch fast als Kind sein Debüt in der musikalischen Oberliga mit Karajan in Berlin hatte, fand glücklicherweise über die EMI mit Sir Colin Davis zusammen. Vor den Beethoven-Konzerten produzierten die beiden eine absolut hörenswerte CD mit Konzerten von Mozart und Schumann. Ist diese CD schon superb gelungen, so sind die Beethoven-Konzerte eine absolute Meisterleistung. Davis, Kissin und das London Symphony Orchestra hieven diese Neuerscheinung auf einen absoluten Spitzenplatz.
Selten noch waren eine solche Homogenität und qualitative Gleichwertigkeit von Pianist, Dirigent und Orchester zu hören. Kissin punktet sowohl mit Anschlagskultur, Musikalität und Technik - ob kraftvolle Läufe und Akkorde oder zarte Girlanden, man merkt, wie er mit dieser herrlichen Musik mitlebt und mitatmet. Colin Davis begleitet mit dem London Symphony Orchestra im wahrsten Sinn des Wortes "kongenial". Davis und Kissin liefern eine beeindruckende Zwiesprache - so, wie man es sich eigentlich immer wünscht.
Damit haben Musikfreunde eine Gelegenheit, auch diesen runden Geburtstag würdig zu begehen.
Claudio-Abbado-Edition: Vol. 1-3
ØØØØØ
(jeweils fünf CDs)
Sony BMG (D 2008)
Werke von Dvorak, Beethoven, Mozart, Mahler, Tschaikowsky u. a.
Berliner Philharmoniker
div. Werke unter Abbado
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Deutsche Grammophon (D 2008)
Ludwig van Beethoven - Symphonien 1-9 (Edition 2000–2001)
Mattila, Urmana, Moser, Quasthoff
Berliner Philharmoniker
Ludwig van Beethoven - Klavierkonzerte 1-5
Maurizio Pollini
Berliner Philharmoniker
Ludwig van Beethoven - Tripelkonzert
Gringolts, Brunello, Lonquich
Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela
Wolfgang Amadeus Mozart - Symphonien Nr. 29, 33, 35, 38, 41
Orchestra Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart - Violinkonzerte 1-5, Sinfonia Concertante in Es-Dur
Carmignola, Waskiewicz
Orchestra Mozart
Termin-Tip: Leonard Bernstein-Matinee
(zum 90. Geburtstag)
Wann? Sonntag, 12. Oktober, 11 Uhr
Wo? Kammeroper, Fleischmarkt 24, 1010 Wien
Moderation: Thomas Dänemark
Gäste: Michael Bernstein (Neffe); KS Christa Ludwig, KS Adolf Dallpozza, KS René Kollo, Ewald Markl, Seiji Ozawa
Live-Auftritte: Prof. Peter Schmidl, Klarinette; Iurie Ciobanu, Tenor; Katja Reichert, Sopran
Sir Colin Davis - Ludwig van Beethoven: Klavierkonzerte Nr. 1–5
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EMI (Ö 2008)
Evgeny Kissin
London Symphony Orchestra
Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.
Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.
Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.
Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.
Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.
Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.
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Dankeschön!!!