Musik_Kissogram - The Secret Life Of Captain Ferber

Die kühlen Kinder

Cool Kids Can’t Die: So lautet die schwarzgekleidete Tanznachricht dieses Duos aus der deutschen Elektro-Hauptstadt Berlin. Hoffen wir, daß sie recht haben ...    24.12.2004

In Fachkreisen gilt Jonas Poppe längst nicht mehr als Unbekannter. Der junge Berliner hat sich bereits als Solokünstler einen Namen gemacht und schwirrt nebenbei mit den Kollegen aus der Band Die Sterne in einer obskuren Post-Punk-Combo namens Davos umher. Zusammen mit Sebastian Dassé gründete er 1999 Kissogram. Das Duo steckte die neugierigen Finger in eine bis dato eher unbeachtet gebliebene Ecke des Disco-Revivals des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Während einige Elektrocombos auf Italo-Disco und Funk zurückgriffen, andere wiederum Rock und Electro auf einen Nenner bringen wollten und dabei ein neues Genre namens Electroclash ins Leben riefen, war und ist den Herrschaften Poppe und Dassé ihre Neigung zum Indie-Rock und –Pop nicht abzusprechen. Dahin ging dann auch die Reise mit dem frisch lackierten (imaginären) Flugzeug Kissogram.

Die ersten Schritte geschahen allerdings eher stolpernd und zufällig: als nämlich der Track "If I Had Known This Before" beim Betreiber des blaou-Labels landete, der diesen auch prompt veröffentlichen wollte. Kompromißlos, schnell und straight sowie mit etwas Pop-Feeling verfeinert, bescherte ihnen dieser Ausnahmetrack bereits eine kleine, aber feine Fangemeinde. Dabei verfügte die Nummer bereits über den inzwischen typischen Kissogram-Touch: melancholisch, Moll und mit dem Pathos einer verbitterten Post-Hardcore-Post-College-Post-Post-Band, die sie zwar nicht waren, aber deren Grundstimmung sie nur all zu gut in ihren tanzbaren, elektronischen Disco-Sound einbinden konnten und wollten. Beinahe so, als ob Velvet Underground, Pere Ubu und Television eigentlich alle aus Detroit stammten und dort nur mit Synthies musizierten.

Die zweite Nummer "I’m Absolute" fand bereits im traditionsreichen Hause Buback Zuflucht und lieferte den Beweis, daß sich das Duo Poppe/Dassé mehr als nur die Grundstimmung ihrer Vorbildern entliehen hatte. Sie brachten ihrer Tanzmusik Song-Strukturen bei und erzeugten dadurch einen Hybrid aus klassischem Song und Clubtrack, eingetaucht in flüssigen, schwarzen Samt.

Inzwischen war auch die Branche hellhörig geworden und so entstand unter dem Label-Dach von Louisville Records endlich der erste Kissogram-Langspieler "The Secret Life Of Captain Ferber", der sich nicht nur als durch und durch andersartige Platte offenbarte, sondern gleichzeitig die vielfarbigen Schattierungen zwischen den bereits genannten Musikstilen gekonnt vereint.

Bereits der Opener des Albums, "Forsaken People Come To Me", faßt zusammen, worauf sich die Hörerschaft mit Kissogram einläßt: ein getragener Mid-Tempo-Track, durchzogen von einer Melancholie, die auch einem französischen Bauern-Chanson gut stehen würde, dabei stets voranschreitend, das Tempo kontrollierend. Dennoch zieht der Track unweigerlich, beinahe magisch, Richtung Tanzfläche, während die helle Gesangsstimme von Jonas Poppe zu depressiven Hüftschwüngen verführt. So geht es dann auch weiter auf dem Album. Track 3, "Owda Awda (Back Johnny Back)", outet sich als Bastardsohn eines britischen Dance-Hall-Songs der vorigen Jahrhundertwende, gepaart mit der burlesquen Art des Vaudeville und durch einfache Synthies und Drumcomputer gequetscht.

Vorhang auf für "Cool Kids Can’t Die". Hymnisch besingen Kissogram hier das ewige Vorrecht der Jugendlichen als loderndes Feuer ins Leben zu gehen und nehmen auch den widerstandsfähigsten Hörer mit ihrem Beat bis zum Grand-Final-Trio unwiderruflich gefangen. Mit "Teenage Dance" folgt nämlich Electro pur, bevor alles dank "I Wanna Be My Man" in rockigem Electroclash gipfelt. Danach darf man zu den streichelweichen Glocken von "Winter Eyes" noch einmal Revue passieren lassen, was da eben geschehen ist.

Wenn "The Secret Life Of Captain Ferber" auch noch nicht die krönende Platte ist, so ist sie doch ein beachtenswertes Erstlingswerk.

:: werwolf ::

Nuri Nurbachsch