Musik_James Levine - Documents of the Munich Years

Spärliches Revival

Der amerikanische Star-Dirigent war in Österreich ein gerngesehener Gast. Auch in München wird man ihn vermissen.    28.10.2004

Heutzutage hat man das Gefühl, daß es um München eine magische Künstler-Aura gibt. Finden sich in der bayrischen Hauptstadt eine Menge Gesangs- und Pultstars, so muß man sich in Wien größtenteils mit bestenfalls durchschnittlichen Persönlichkeiten und Orchestergastspielen zufrieden geben.

James Levine war lange Zeit Stammgast in Wien und bei den Salzburger Festspielen. Erinnernswert sind von ihm die Mahler-Konzerte im Musikverein (mit der 2. und 6.), sein "Othello" in der Wiener Staatsoper und einige andere Konzerte. In Salzburg wurde er durch seine Mozart-Interpretationen und nicht zuletzt durch seine einzigartige Aufführung von Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" berühmt.

Über Nacht wurden dann leider sämtliche Aktivitäten Levines in Österreich gestoppt, wenn man von ein paar Gastkonzerten absieht.

Von 1999 bis 2004 war Levine Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, wobei er diesen Job neben seiner Direktion in der New Yorker Metropolitan Opera ausübte. OehmsClassics fertigte von einigen seiner dortigen Konzerte perfekte Live-Mitschnitte an, die nun Musikfreunden zugänglich gemacht wurden. Hervorzuheben sind hier vor allem die Aufnahmen der "Gurre-Lieder" von Arnold Schönberg und Gustav Mahlers 9. Symphonie in D-Dur.

Levine war schon immer ein ausgeprägter Mahler-Dirigent, was in der vorliegenden Aufnahme besonders gut zu hören ist. Er fängt die skurrile Stimmung der Symphonie perfekt ein und kostet jede Möglichkeit der Klangentfaltung aus, was in einer Zelebrierung des letzten Satzes mündet. Eine ganz andere Dimension füllen die Schönbergschen "Gurre-Lieder" aus. Das Werk, das Hundertschaften von Orchestermusikern und Chorsänger fordert, wird eben wegen dieser Dimensionen nur selten aufgeführt. Levine schaffte in München eine fast unübertroffene Performance. Mit einer Star-Besetzung wie Deborah Voigt, Waltraud Meier und vor allem Ben Heppner (der offenbar auch an der magischen Aura Münchens hängenbleibt und nie in Wien zu hören ist) führt der amerikanische Maestro durch das Riesenopus. Levine und das Ensemble erzählen das 1913 in Wien uraufgeführte Werk, das im spätromantischen Stil gehalten ist, auf hervorragende und beeindruckende Art.

Viele Musikfreunde werden beim Anhören dieser Spitzenaufnahmen sicherlich wehmütige Gefühle bekommen ...

Herbert Hiess

Arnold Schönberg - Gurre-Lieder

ØØØØ


OehmsClassics (D 2004)

Heppner, Voigt, Meier, Philharmonischer Chor München, Herrenchor der Bamberger Symphoniker

Münchner Philharmoniker; James Levine

 

Links:

Gustav Mahler - Symphonie Nr. 9 in D-Dur

ØØØØØ


OehmsClassics (D 2004)

Münchner Philharmonike; James Levine

 

Links:

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