Musik_Incubus - A Crow Left Of The Murder

Der letzte Flügelschlag?

Sie haben alles erreicht, was man als Alternative-Band schaffen kann. Was nun? Ihr neuester Streich entpuppt sich - analog zum Plattentitel - als etwas desorientiertes Herumflattern...    19.02.2004

Incubus haben das Problem, daß sie zu gut dastehen. Mit "Morning View" lieferten sie beim letzten Mal exakt die Platte ab, die sowohl Fans als auch Kritiker wunschlos glücklich machte - und auch zuvor lief in ihrer Karriere eigentlich alles nach Plan: stetiger Aufstieg bis zum Meisterstück.

Die rockige Version der mittlerweile etwas ruhigeren Red Hot Chili Peppers steht damit mit ihrer fünften Platte "A Crow Left Of the Murder" genau an dem Punkt, wo man normaler- und gerüchteweise schon mit der dritten Platte ankommen sollte. Geht es aufwärts und kann sich die Band endgültig als wichtiger Act etablieren, der uns noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte begleiten wird? Oder ist über kurz oder lang nichts mehr wirklich Neues zu erwarten, außer eventuell das Ende der Gruppe?

Die Straightforward-Single "Megalomaniac" macht Hoffnung: Selten hat man Incubus so erwachsen, so konsequent nah an ihrem eigenem Stil rocken gehört. Es scheint fast so, als würde eben dieser Track mehr Incubus enthalten als jeder Song zuvor. Pearl-Jam-Produzent Brendan O´Brien, der für dieses Album verantwortlich ist, scheint ganze Arbeit geleistet zu haben. Leider können die restlichen 13 Tracks diesen Standard nicht ganz halten. Der Titelsong beispielsweise wäre ein Kandidat für die Kategorie Songs-zum-sofort-wieder-Vergessen, "Agoraphobia" plätschert ganz nett vor sich hin, ist aber im Prinzip leider auch ein Langweiler erster Klasse und reiht sich ein in einige weitere Tracks, die bis auf ein "ganz nett" leider keine Reaktion hervorrufen können.

Dafür überraschen andererseits einige der Songs dann doch wieder sehr positiv: 'Talk Shows On Mute" und "Made For TV Movie" oder auch "Here In My Room" sind Balladen, wie man sie für ein solches Album zwingend braucht; "Priceless" groovt wie die Sau und hat wie die anderen erwähnten Songs genau jene Art von luftig-lässigem Tiefgang, wie man ihn von Incubus eigentlich auf jedem Track erwartet.

"A Crow Left Of the Murder" ist also insgesamt eine schöne und relativ solide Platte, die zwar keinesfalls mit "Morning View" mithalten kann, aber den Incubus-Fan keinesfalls enttäuschen sollte, allerdings für den Normalhörer etwas zur Gratwanderung wird - nicht nur, weil sie mit 14 Songs so überladen ist, sondern teilweise auch einfach zu belanglos wirkt. Man wird wohl das nächste Album abwarten müssen, um eine endgültige Prognose über die Zukunft der Band zu treffen. Eigentlich keine schlechte Taktik, die hier gefahren wird. Es bleibt ohne Zweifel spannend.

Sebastian Baumer