Musik_Händel mit den Harnoncourts
Ehe auf dem Prüfstand
Die eheliche Treue ist ein zeitloser Stoff für unzählige Dramen, Filme und Bücher. Im Theater an der Wien wird nun eine äußerst selten gespielte Oper zum Thema unter dem fast schon legendären Nikolaus Harnoncourt zelebriert. Er bereitet dem Publikum mit einem erlesenen Sänger-Team und seinem Concentus Musicus eine barocke Sternstunde.
26.03.2011
Georg Friedrich Händels Oper "Rodelinda" wurde 1725 in London uraufgeführt. Ihr Inhalt ist rasch erzählt: Am langobardischen Hof wurde König Bertarido von Grimoaldo vom Thron vertrieben; seine Gattin Rodelinda hält ihn für tot. Grimoaldo, der eigentlich mit Bertaridos Schwester Eduige verlobt ist, möchte unbedingt Rodelindas Liebe gewinnen, wird aber auch von Garibaldo, dem Fürsten von Turin, gegen die Königin aufgestachelt. Diese wiederum ist vor Kummer wegen des (angeblichen) Todes ihres Mannes und Herrschers unglücklich - und nun bietet sich dem Bösewicht Bertarido die Chance, ihre Treue auf die Probe zu stellen.
Im Endeffekt geht die Oper natürlich gut aus - und alles löst sich in Wohlgefallen auf, wie sich das gehört, um ein bürgerliches Publikum gepflegt zu unterhalten. Der Treuetest aus "Rodelinda" erinnert sehr an die Mozart-Oper "Così fan tutte", die jedoch erst 65 Jahre später uraufgeführt wurde. Auch sonst ist das Werk sowohl dramaturgisch als auch kompositorisch seiner Zeit weit voraus, da Händel hier mit vielen (kompositorischen) Konventionen brach. Einmal blitzt ein rasantes Tremolo aus dem Orchester hervor, dann tauchen Einfälle wie ein "Trugschluß" auf (wobei kompositorisch der Schluß nicht auf der Tonika erfolgt, sondern auf der sechsten Stufe; also C-Dur-Kadenz in G - Abschluß nicht auf C-Dur, sondern a-Moll), und nicht zuletzt finden wir in diesem Werk zahlreiche rhythmische Verschiebungen.
Niemand kann all diese Einfälle besser in klingende Musik umsetzen als Nikolaus Harnoncourt. Der österreichische Star-Dirigent zaubert mit seinem minimalistisch besetzten Concentus Musicus berückende Klangfarben hervor; jede Instrumentengruppe, jeder Solist ist da ein Ereignis.
Herausragend ist auch das Solistenensemble unter den Sängern, allen voran die entzückende Danielle de Niese. Die Australo-Amerikanerin beweist wieder einmal, daß sie unter den jüngeren Opernstimmen von heute eine singuläre Erscheinung ist. Sie ist nicht nur bildhübsch (was heutzutage kein Fehler ist), sondern besitzt einen wunderschönen und gut geführten, glockenklaren Sopran. De Niese beeindruckt nicht nur mit Höhensicherheit und exzellenter Diktion, sondern überzeugt auch als berührende Schauspielerin.
Kongeniale Kollegen auf der Bühne sind vor allem der Countertenor Bejun Mehta, der Altus von Matthias Rexroth sowie Kurt Streit, Malena Ernman und Konstantin Wolff.
Interessant ist auch die Inszenierung von Harnoncourts Sohn Philipp, der die Handlung in einem (Loft-)Wohnhaus angesiedelt hat. Neben den Sängern agieren noch sieben Schauspieler auf der Bühne; das Regiekonzept von Harnoncourt jun. sieht Rodelindas und Bertaridos Sohn Flavio als zentrale Figur der Handlung.
Die Nähe zu zukünftigen Opernfiguren ist in der Regie offensichtlich. So erinnern beispielsweise die Figuren von Grimoaldo und Garibaldo sehr an Othello und Jago - oder die Kerkerszene bei der Befreiung von Bertarido sehr an "Fidelio". Die szenische Umsetzung ist dem Regisseur mehr als beeindruckend gelungen, wenn auch manchmal zuviel "Action" auf der Szene herrscht. Doch das ist immer noch besser, als wenn alle Akteure wie bestellt und nicht abgeholt an der Rampe herumstünden. In dem Fall könnten Händels da-capo-Arien nämlich leicht zur Qual werden ...
Bis Ende März 2011 haben Opernbegeisterte noch Gelegenheit, dieses Werk im Theater an der Wien zu erleben. Für echte Musikfreunde ist es ein absolutes Muß - so bald wird man "Rodelinda" garantiert nicht wieder auf der Bühne sehen.
Herbert Hiess
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