Musik_Green Day - American Idiot

Fortschrittsideologie

Wir präsentieren: das antiamerikanische Konzeptalbum einer Punkband, deren letzte Großtat bereits zehn Jahre zurückliegt - und die hier erstmals wirklich ihr Können zeigt.    14.10.2004

Green Day entledigen sich der Gewänder der poppigen Seite des Punkrock, ohne aufzuhören, ihn zu produzieren. Klingt merkwürdig, ist aber so: Korsette wie inhaltliche Simplizität, temporale oder stilistische Beschränkungen der Songs auf eine Zwei-bis-drei-Minuten- Uptempo-Straight-Forward-Formel werden konsequent über Bord geschmissen. Will da jemand beweisen, daß Blink 182 trotz ihrer plötzlichen Reifung zur ernstzunehmenden Band immer noch relativ unerfahrene Jungspunde sind?

Es scheint fast so. Nach "American Idiot" ist nämlich relativ klar, wer unter den melodischeren Punkrockern immer noch das Sagen hat und welche Band für die Überraschung des Jahres gut war. Ob es sich nun um den unglaublich intensiven Neunminüter ("Punk-Mini-Oper" würden Musikblätter, die intellektuell etwas auf sich halten, wohl schreiben) "Jesus of Suburbia" handelt, der aus so vielen unterschiedlichen Fragmenten besteht wie früher ein ganzes Green Day-Album, ob um den Akustik-Schunkler "Boulevard of Broken Dreams", der ähnlich Gelagertem von den Social Distortions in nichts nachsteht, oder um die melancholiegeschwängerte Emotionsoffenbarung "When September Ends": Hier darf man endlich einmal einem Albumcover trauen. "American Idiot" ist der granatenmäßig einschlagende Verguß von Herzblut durch drei Musiker, die eigentlich schon lange zeigen hätten können, daß sie diese Bezeichnung verdienen. Großartig.

Sebastian Baumer

Green Day - American Idiot

ØØØØ 1/2


Reprise/Warner (USA 2004)

 

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