Orchesterkonzert am 29. August 2010
Ø 1/2
Werke von Gustav Mahler und Anton Bruckner
Gustav-Mahler-Jugendorchester/Herbert Blomstedt
Solist: Christian Gerhaher, Bariton
Die heurigen niederösterreichischen Klassikfestspiele mit Weltniveau nähern sich ihrem Ende. Leider. In den ersten Septembertagen konnten die Veranstalter allerdings noch mit einem interessanten (spät-)romantischen Programm der Superlative aufwarten. 10.09.2010
Ach ja - der Ordnung halber gehört noch erwähnt, daß am Sonntag vor dem erwähnten Musikereignis das "Orchestra in Residence", also das Gustav-Mahler-Jugendorchester, ein Konzert gab. Viel zu sagen gibt es darüber jedoch nicht - außer eben, daß ein technisch ausgezeichnetes Orchester Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen" und Bruckners 9. Symphonie spielte.
Leider sang der eigentlich sehr gute Bariton Christian Gerhaher dabei aber so, als müßte er das Kremser Telefonbuch zum Vortrag bringen. Und bei der Bruckner-Symphonie konnte Dirigent Herbert Blomstedt absolut keine Stimmung erzeugen; es fehlten unendliche Steigerungen und vor allem die Endzeitstimmung im dritten Satz. Irgendwie war die Symphonie plötzlich vorbei - und man hatte das Konzert schon vor dem Verlassen des Saales vergessen.
Ein ganz anderes Kaliber beweist am Freitag das Orchestre National de France unter seinem Chefdirigenten Daniele Gatti. Gatti wurde 1961 in Mailand geboren und hat mit seinen knapp 50 Jahren schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Mittlerweile ist er Chef des französischen Orchesters und Nachfolger von Welser-Möst an der Züricher Oper.
Der Maestro brillierte bereits im Juni 2010 anläßlich der Wiener Festwochen mit Alban Bergs Lulu. Mit diesem Konzert kann er seine damalige Leistung sogar noch übertreffen. Selten hat man Gustav Mahlers 5. Symphonie so spannend und analytisch zugleich gehört. Gattis Interpretation läßt fast jedes Thema klar erkennen, ohne daß es zu aufgesetzt wirkt. Selbst das "Adagietto" (das auch in Viscontis Film "Tod in Venedig" vorkommt) klingt einfach traumhaft, ohne je in rührseligen Kitsch zu verfallen.
Natürlich könnte man Gatti bei Mahler mehr Inbrunst (wie einst bei Bernstein ...) wünschen - aber vielleicht kommt das noch. Als Zugabe liefern die Franzosen dann noch ein großartiges Vorspiel zum dritten Akt von Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg". Wie man daran erkennt, ist Gatti nicht umsonst ein gerngesehener Dirigent in Bayreuth.
Am Tag danach gastiert das Sydney Symphony Orchestra mit seinem Leiter Vladimir Ashkenazy im Auditorium von Grafenegg - angefangen mit einer mitreißenden "Karneval"-Ouvertüre von Antonin Dvorak über Ravels Klavierkonzert in G-Dur bis zur mehr als selten gespielten "Manfred"-Symphonie von Tschaikowski.
Der 73jährige gebürtige Russe Ashkenazy war und ist ein Meisterpianist von seltener Virtuosität. Mittlerweile hat er die schwarz-weißen Tasten gegen den Taktstock eingetauscht und fast völlig aufs Dirigieren umgesattelt. Und wenn seine Leistung am Pult in der Anfangszeit auch eher bescheiden war, so zeigt er diesmal, daß er ein beachtliches Niveau erreicht hat.
Bei Maurice Ravels Klavierkonzert ist erstmals in Grafenegg die bildhübsche Französin Hélène Grimaud zu bewundern. Das Konzert bietet in seiner Kürze von guten 22 Minuten ein Kaleidoskop von Romantik, Moderne und Jazz; auch Anlehnungen an Gershwins "Concerto in F", das 1925 uraufgeführt wurde, scheute Ravel sieben Jahre später nicht. Es ist zutiefst beeindruckend, mit welcher Virtuosität und vor allem außerordentlicher Musikalität die französische Pianistin spielt und das Adagio so berührend und mit schwebenden Klängen regelrecht zelebriert.
1886 wurde Tschaikowskis Programm-Symphonie "Manfred" in h-moll uraufgeführt. Der russische Komponist erzählt darin in schwelgendsten Farben Lord Byrons Gedicht über die inzestuöse Beziehung von Manfred zu seiner Halbschwester Astarte. Obwohl die Symphonie interessant ist, hat sie doch wenig Originäres und Ursprüngliches. Im zweiten Satz "Vivace" hört man plötzlich deutlich den zweiten Satz aus der 2. Symphonie ("Kleinrussische") des Komponisten, dann vernimmt man wieder Anklänge an die Ballettmusiken usw.
Absolut phantastisch ist dafür der lyrische Ausklang mit dem Orgelchoral am Schluß. Schöner als Ashkenazy und die Australier kann man kaum spielen. Wie nett der Dirigent die Zugabe des Orchesters einleitet, das weckt Sympathie - ebenso nett und sympathisch klingt dann auch das Finale der Rosenkavalier-Suite.
Eine Anmerkung noch: Es ist bemerkenswert, wie ernst man in Grafenegg die Schlechtwetterregelung nimmt. Während die Veranstalter der Bregenzer und Mörbischer Festspiele oft beinhart bei Wind und Wetter durchspielen, gibt man sich am Kamp übervorsichtig. Vor allem am Freitagabend wäre der Auftritt im "Wolkenturm" sehr gut möglich gewesen (am Samstag nach dem Konzert war es aber tatsächlich sehr kalt ...). Grafenegg-Intendant Buchbinder ging jedes Mal aufs Podium, um dem Publikum die Wetter-Entscheidung auf heitere Art näherzubringen. Der finanzielle Aspekt wäre trotzdem ganz interessant - schließlich sind die Einbußen durch die Rückzahlung der Open-air-Sitzplätze garantiert nicht ohne ...
Orchesterkonzert am 29. August 2010
Ø 1/2
Werke von Gustav Mahler und Anton Bruckner
Gustav-Mahler-Jugendorchester/Herbert Blomstedt
Solist: Christian Gerhaher, Bariton
Orchesterkonzert am 3. September 2010
ØØØØØ
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5 in cis-moll
Orchestre National de France/Daniele Gatti
Orchesterkonzert am 4. September 2010
ØØØØØ
Antonin Dvorak: Karneval-Ouvertüre in A-Dur op. 92
Maurice Ravel: Klavierkonzert in G-Dur
Peter Ilitsch Tschaikowski: Symphonie in h-moll op. 58 "Manfred"
Sydney Symphony Orchestra/Vladimir Ashkenazy
Solistin: Hélène Grimaud
Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.
Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.
Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.
Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.
Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.
Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.
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