Gustav Mahler: Symphonie Nr. 6 in a-moll
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Eigenauflage der Berliner Philharmoniker
Berliner Philharmoniker/Sir Simon Rattle
(D 2018)
Der EVOLVER-Klassikexperte hat sich 2018 sehr schwer getan, aus der Vielzahl der Neuerscheinungen und Wiederauflagen die "Rosinen" herauszupicken. Mit seiner Auswahl können Musikfreunde und Schenkwillige aber nichts falsch machen. 04.12.2018
Klarerweise hat jeder Musikhörer seine speziellen Vorlieben. Die einen mögen eher Stimmen, die anderen große Orchester. Und dann gibt es noch die "Opernnarren" und die Kammermusikfreunde ... allen kann man es einfach nicht recht machen. Die folgende Auswahl ist daher sehr persönlich. Der Autor hofft dennoch, den Geschmack der meisten Leser zu treffen.
1. In Eigenauflage und der mittlerweile bewährt schönen Aufmachung präsentieren die Berliner Philharmoniker das Abschiedskonzert ihres ehemaligen Chefs Sir Simon Rattle in Bild und Ton. Die Präsentpackung enthält nicht nur das Konzert mit der Sechsten von Mahler, sondern auch die Tonaufnahme dieser Symphonie aus dem Jahre 1987. Sie demonstriert die Entwicklung des Dirigenten und "seines" Orchesters; der Vergleich ist mehr als interessant. Auch wenn Rattle dem Orchester niemals so seinen Stempel aufdrücken konnte wie Herbert von Karajan, führte er es durch eine hörenswerte Epoche.
2. Wenn man Valery Gergiev als "Arbeitstier" bezeichnet, ist das wahrscheinlich sogar noch eine Untertreibung. Der russische Maestro ist wie Rossinis "Barbier" da und dort und überall zu finden. Seine künstlerische Ausstrahlung hat er dabei jedoch nie verloren, im Gegenteil - er konnte sie immer noch steigern. Das ist auch in der grandiosen Produktion von Strawinskys "Feuervogel", auf Tonträger vereint mit dem 3. Klavierkonzert von Bartók, deutlich zu hören. Es ist unvergleichlich, welche Klangpracht Gergiev auf dieser Aufnahme entwickelt. Ebenfalls nicht zu verachten ist Strawinskys "Petrouchka" mit dem unvergleichlichen Mariinsky-Orchester. Für Gergiev-Freunde wie geschaffen.
3. Russischer Dirigent - russisches Orchester - russisches Werk: Diese Dreierkombination hört man in der exzellenten Neuproduktion von Tschaikowskis "Schwanensee". Der allzu unterschätzte Vladimir Jurowski, der die meisten gehypeten Dirigenten locker in die Tasche steckt, macht aus dem Standardwerk ein richtiges Ereignis. Einfach hörenswert.
4. Gehen wir von Rußland weiter westlich nach Tschechien, Böhmen und Mähren, so können wir den allseits beliebten Komponisten Friedrich Smetana und Leos Janacek einen Besuch abstatten. Fündig werden wir bei einer exzellenten Produktion von Smetanas "Ma Vlast" ("Vaterland") unter Sir Colin Davis und einer denkwürdigen Doppel-CD des allzu früh verschiedenen Maestros Belohlavek. Er dirigiert hier mit seiner Tschechischen Philharmonie Werke des mährischen Komponisten Janacek - eine großartige "Glagolitische Messe", eine imposante "Sinfonietta" und noch andere Werke. Beide Produktionen verdienen einen Fixplatz in den Plattenregalen.
5. Die Blu-ray-Wiederauflagen von Opernklassikern sind allemal hitverdächtig - ob die einzigartige "Carmen" unter Bernstein oder "Cavalleria/Bajazzo" unter Karajan. Beide Produktionen sind einfach unübertrefflich. Vor kurzem erschienen auch "Rigoletto" unter Giulini und "Macbeth" unter Abbado; diese Aufnahmen sind ebenfalls schenkenswert, und vor allem der "Rigoletto" ist schon wegen Giulini ein Solitär.
6. Seiji Ozawa kann aufgrund seines Gesundheitszustands nicht mehr auftreten. Umso schöner, daß seine Stammfirma Deutsche Grammophon sein Gesamtschaffen mit dem Boston Symphony Orchestra aufgelegt hat. Hier kann man die großartige Orchesterdisziplin hören, die der japanische Maestro gekonnt zur Geltung bringt. Da hat es der allzu "gepushte" derzeitige Orchesterchef Andris Nelsons schwer, wirklich mithalten zu können.
7. Apropos Nelsons: Der Lette darf ja mit den Wiener Philharmonikern eine Beethoven-Symphonien-Gesamtaufnahme produzieren. Wenn man weiß, daß das Orchester seit Bernstein und Böhm keinen wirklich guten Beethoven-Zyklus zustande gebracht hat, wird Nelsons offenbar der logische Nachfolger ... Ganz anders hört sich da ein Treffen der Titanen an: Vom London Symphony Orchestra gibt es den gesamten Beethovenzyklus unter Bernard Haitink. Es ist unglaublich, mit welcher Virtuosität das phantastische Orchester Beethovens Noten in Klang umsetzt. Haitink versteht Beethoven offenbar viel besser als die Originalklang-Apostel und "Rising Stars". Die Musik klingt immer prägnant und weit mitreißender als die meisten "historisch informierten" Produktionen. Einfach großartig. Herbert von Karajans zweiter Beethoven-Zyklus bei der Deutschen Grammophon wurde auf Blu-ray inkl. Dolby Atmos gebannt. Die Aufnahme ist ein gewaltiger Meilenstein in der Karriere des unvergeßlichen Maestros. Für Haitinks und Karajans Beethoven-Aufnahmen sollte man unbedingt Platz in den Plattenregalen schaffen ...
8. Schumann in Wort und Musik finden wir in einer interessanten Box des Bayerischen Rundfunks mit der Hörbiographie "Die innere Stimme". In Hörspielmanier wird das Leben des deutschen Komponisten nacherzählt. Prominente Schauspieler wie der "Tatort"-Kommisar Udo Wachtveitl (Erzähler) und Brigitte Hobmeier lassen den Hörer am schwierigen Leben des großartigen Musikers teilhaben.
9. Vom bekannten österreichischen Feuilletonisten Heinz Sichrovsky gibt es ein Buch mit dem Titel "Betrachtungen eines Unkorrekten", das eigentlich eine Zusammenstellung seiner grandiosen Kolumnen in einer heimischen Tageszeitung ist. "Er scheißt sich nichts" - so könnte das Fazit des hervorragenden und amüsanten Buchs lauten. Hier wird vieles aufs Korn genommen, von piefkinesischen Sprachverunstaltungen bis hin zu grausigen Anglizismen. Und das "Gutmenschentum" kommt auch nicht zu kurz. Ein absolut lesenswertes Buch - da die einzelnen Abschnitte relativ kurz sind, empfiehlt es sich noch dazu als Bettlektüre.
10. "Goodbye Johnny" war ein Hit von Hans Albers, offenbar dem Womanizer der 20er und 30er Jahre. Albers war auch ein hochdekorierter UFA-Star (Anm.: UFA steht für Universal Film. Die Firma wurde 1917 in Potsdam gegründet; 1933 verleibten sie sich die Nazis ein und nützten sie fortan als ihr wichtigstes Propagandainstrument). In dem Lied kommt die Textzeile "Mag´s im Himmel sein, mag´s beim Teufel sein" vor, die sich die begabte Autorin Evelyn Steinthaler als Titel für ihr neues Buch lieh. Daraus wurde eine hochinteressante Darstellung von vier Paaren, die unterschiedlich mit den Rassengesetzen umgingen (und umgehen mußten). Die Geschichte wird absolut nicht polemisch erzählt, auch wenn die Autorin das UFA-Umfeld noch detailierter hätte ausleuchten können. (Hier hätte der Besuch der UFA-Ausstellung 2018 in Berlin geholfen.) Aber das ist Beckmesserei ... Dieses Buch ist noch eines der besten der im Reigen der Gedenk- und Bedenkjahre erschienenen Werke.
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 6 in a-moll
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Eigenauflage der Berliner Philharmoniker
Berliner Philharmoniker/Sir Simon Rattle
(D 2018)
Valery Gergiev
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Produktionen aus London und St. Petersburg
Igor Strawinsky: Der Feuervogel
Béla Bartók: Klavierkonzert Nr. 3
Béla Bartók: Der wunderbare Mandarin (Suite)
Yefim Bronfman, Klavier
London Symphony Orchestra/Valery Gergiev
LSO Live (GB 2018)
Igor Strawinsky: Petrouchka, Jeu de Cartes
Mariinsky Orchestra/Valery Gergiev
Mariinsky Label (Russland 2018)
P. I. Tschaikowski: Schwanensee
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Gesamtaufnahme
State Academic Symphony Orchestra of Russia "Yevgeny Svetlanov"/Vladimir Jurowski
Pentatone (D 2018)
Tschechische Schätze
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Neuproduktionen
Friedrich Smetana: "Ma Vlast"
London Symphony Orchestra/Sir Colin Davis
LSO Live (GB 2018)
Leos Janacek: Glagolitische Messe, Sinfonietta etc.
Tschechische Philharmonie/Jiri Belohlavek
Decca/Universal (D 2018)
Opernklassiker auf Blu-Ray
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Gesamtaufnahmen
George Bizet: "Carmen"
div. Solisten
Chor und Orchester der Met/Leonard Bernstein
Pietro Mascagni: Cavalleria Rusticana/Ruggiero Leoncavallo: Bajazzo
div. Solisten
Chor und Orchester der Mailänder Scala/Herbert von Karajan
Giuseppe Verdi: Rigoletto
div. Solisten
Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker/Carlo Maria Giulini
Giuseppe Verdi: Macbeth
div. Solisten
Chor und Orchester der Mailänder Scala/Claudio Abbado
Deutsche Grammophon/Universal (D 2018)
Seiji Ozawa mit Boston Symphony
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Gesamtausgabe
div. Werke
div. Solisten
Boston Symphony Orchestra/Seiji Ozawa
Deutsche Grammophon (D 2018)
Beethoven-Symphonien
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Gesamtausgaben
div. Solisten
London Symphony Orchestra/Bernard Haitink
LSO Live (GB 2018)
div. Solisten
Berliner Philharmoniker/Herbert von Karajan
Deutsche Grammophon/Universal (D 2018)
Die innere Stimme
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Hörbiographie
Udo Wachtveitel, Brigitte Hobmeier
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks/Mariss Jansons
BR-Klassik (D 2018)
Betrachtungen eines Unkorrekten
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Buch von Heinz Sichrovsky
Ueberreuter (Ö 2018)
Mag´s im Himmel sein, mag´s beim Teufel sein
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Buch von Evelyn Steinthaler
Kremayr & Scheriau (Ö 2018)
Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.
Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.
Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.
Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.
Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.
Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.
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