Musik_Franz Schubert - Die schöne Müllerin

Schuberts Wanderzeit

Der britische Sänger Ian Bostridge und die Meisterpianistin Mitsuko Uchida machen aus diesem Schlüsselwerk eines heimischen Meisterkomponisten eine Sternstunde.    15.04.2005

Lieder über Liebesleid und Wanderzeit eines jungen Müllerburschen verpackte Franz Schubert in den ersten seiner drei großen Liederzyklen. Dieser ist verglichen mit "Winterreise" und "Schwanengesang" noch der optimistischere, obwohl auch hier schon zwischen den Zeilen (und Noten) sehr häufig Todesahnung, Eifersucht und Seelenqualen spürbar werden.

Des Müllers Weggefährte ist vor allem der Bach, den der Komponist unnachahmlich plastisch darstellt. Was für den Pianisten eine Qual ist (vor allem die vielen Sextolen und Triolen, die das Plätschern darstellen), ist für den Hörer umgekehrt eine wahre Freude. Vor allem wenn eine Meisterpianistin wie die Japanerin Mitsuko Uchida vor dem Flügel sitzt.

Auch Ian Bostridge ist offenbar ein geborener Schubert-Interpret, laboriert er doch am sogenannten "British Syndrom". Er ist also wie einige andere Engländer auch in der Lage, schöner in deutscher Sprache zu deklamieren als viele deutschsprachig aufgewachsene Sänger. Gemeinsam mit Frau Uchida führt er bildhaft, traumhaft und inspirierend durch die einzelnen Lebensstationen des jungen Müllers. Bostridge beherrscht seine Stimme virtuos, ohne allzu viel zu outrieren. Er hat eher einen hohen Tenor, klingt aber nie "unmännlich". Mit perfekter deutscher Aussprache versteht er es, die 20 Geniestreiche des Zyklus plastisch zu machen.

Bleibt bei einer großartigen Interpretation wie dieser lediglich zu hoffen, daß das Duo Bostridge und Uchida auch mit den anderen beiden Zyklen etwas anfangen kann - und sie in absehbarer Zeit auch in Angriff nimmt.

Herbert Hiess

Die schöne Müllerin

ØØØØØ

Franz Schubert


Ian Bostridge, Tenor

Mitsuko Uchida, Klavier

EMI-Classics (GB 2005)

 

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