Elbow - Leaders Of The Free World
ØØØØ
V2/edel (GB 2005)
Fünf Mancunians vertonen große Gefühle und kleine Geheimnisse zu einem großartig melodramatischen Album. Das wirksamste Gegengift für eine gemeine Welt und banale Befindlichkeiten. 05.10.2005
Wie der zyklische Zufall es will, hat der Pop das Gefühl wiederentdeckt. Bevor man uns aber mit verkitschter, sinnfreier Pubertätslyrik eines Adam Green, mit frühvergreistem Neohippie-Geklampfe oder gar massengeeichtem Befindlichkeitsterror aus dem Hause Coldplay zukleistert, sollte man versuchen, den Blick aufs wesentliche zu lenken und in kleinen Nischen nach einem Quentchen authentisch klingenden Herzblut zu suchen, daß in letzter Zeit sogenannte, aber trotzdem wunderbare Insidertips wie Elbow mitfühlend auf den dafür empfänglichen Zuhörer herabträufeln. Mal zarter, mal härter und verzerrter. Und das ist gut so, denn nichts ist schlimmer als der Akustikgitarren-untermalte Rückzug ans virtuelle Lagerfeuer oder die heimelige Kuschelecke der Cocooning-Generation.
Erfreulicherweise umschiffen Elbow die unerträglichen Untiefen des zu gefühligen Sentiments ziemlich gut und entfalten nach etwa zehnjährigem Bandbestehen im nordenglischen Bury und Manchester mit "Leaders Of The Free World" ein weidlich gelobtes, "erwachsenes" Werk, ohne daß man deswegen peinlich berührt sein müßte. Das Quartett um Sänger Guy Garvey, der übrigens oft exzellente Lyrics schreibt, berichtet vor allem von jenen Situationen, in denen Liebes- und Lebenserfahrungen zu blutigen Nasen, aufgeschürften Ellbogen, Sinnkrisen und Abhängigkeiten von unzulänglichen Painkillern führten. Elbow tragen die Blessuren auf der Seele mit Würde und glauben trotzdem an Intensitäten und seltsam verzauberte Momente, in denen einem jenseits der Morgenröte banalste Häuserzeilen vollkommen neu vorkommen und man sich selber mit Bedeutung auflädt (der Opener "Station Approach"). Doch nicht nur da, alle elf Tracks lang sind die Gesten groß, der Grundtenor melodramatisch und episch, die Texte hochpoetisch, die Arrangements subtil und stimmig, die Songs dicht, atmosphärisch und brillantgeschliffen. Zur üblichen Rockinstrumentierung – Gitarre, Baß, Schlagzeug – kommen Piano/Keyborads, Streicher und hin und wieder Dosen irrealer Karussellmusik. Das Hervorstechendste aber ist: Elbow sind, inhaltlich wie musikalisch, Romantiker in der besten Bedeutung des Wortes: Es gibt Soundpassagen, die scheinen Regen fühlbar zu machen, andere erzeugen einen unwirklichen Schwebezustand und man huldigt "Gefühlen, die eigentlich in einen Zoo gehören" ("An Imagined Affair"). Der passende Soundtrack für imaginierte Western-Showdowns ("Mexican Standoff") und "Great Expectations". Aber es wird auch politisch, wenn man sich bei den Commandern-in-Chief beschweren möchte, die für die derzeitige kaputte, verkapitalisierte Desaster-Area verantwortlich sind, die man aber nie zu fassen kriegt. Daß der Rest häufig von Abschieden handelt, liegt in der Natur der hier immer anwesenden Melancholie; aber sie schenken Guy Garvey manchmal wenigstens "a beautiful hole in my heart" ("My Very Best").
Ein schönes Werk und ein weiterer Beweis, daß Manchester für intensives Songwriting offenbar ein geographisch begünstigter Ort sein dürfte, so unterschiedlich die Stile von Joy Division bis Richard Ashcroft auch sind. Allerdings kann es sein, daß man sich die eigentümlichen Vocals, die oft und nicht ganz richtig mit Peter Gabriel verglichen werden, erst gewöhnen muß. Aber dann klappt es auch mit dem Herzblut.
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