Musik_Dimitri Shostakovich - Gesamtausgabe
Das schönste Geburtstagsgeschenk
Wer die Mozart-Hysterie satt hat (also jeder), sollte sich Meister Shostakovich zuwenden. Der feiert heuer nämlich auch Geburtstag – den 100. Die CDs dazu lohnen den Kauf.
31.08.2006
Der russische Komponist Dimitri Shostakovich wäre am 25. September 2006 hundert Jahre alt geworden - und es ist ausgesprochen schade, daß dieses Jubiläum wahrscheinlich in der Flut an perversen Events zum 250. Todestag von W. A. Mozart untergehen wird. Ungeachtet dessen hat der lettische Star-Dirigent Mariss Jansons nicht nur dem Komponisten, sondern auch allen Musikfreunden ein wunderschönes Geschenk gemacht.
Rechtzeitig vor dem Ehrentag wurden die Aufnahmen sämtlicher Symphonien des Russen fertiggestellt - und das noch dazu mit einer großartigen künstlerischen Leistung. Abgesehen von der Qualität des Dirigats ist die vorliegende CD-Box ein Kompendium der besten Orchester der Welt. Darunter finden sich - no na - die Wiener Philharmoniker (mit der Fünften), das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (dessen Chef Jansons jetzt ist), das Philadelphia Orchester, das Pittsburgh Symphonic Orchestra, die Berliner Philharmoniker, das London Philharmonic Orchestra, das St. Petersburg Philharmonic Orchestra und das Oslo Philharmonic Orchestra (die beiden letzteren hat er auch einmal geleitet). Da darf natürlich auch der einzigartige Chor des Bayerischen Rundfunks nicht fehlen ...
Jansons beweist hier wieder einmal meisterhaft, wie gut er mit allen Orchestern kann - und wie sie ihm geradezu jede Nuance vom Taktstock ablesen. Die menschlichen Qualitäten des Maestros sind unbestritten; immer wieder zeigt sich hier auch, wie seine penible Arbeitsweise zu qualitativ hochwertigen Resultaten führt. Ob bei der jugendlich skurrilen ersten Symphonie, den klassisch breiten Symphonien Nummer fünf, sechs und sieben ("Leningrader") oder bei den schon mit Todesahnungen behafteten Symphonien Nr. 14 und 15. - Jansons läßt jede Nuance und Phrase so spielen, als wären sie gerade erst komponiert worden und überhaupt das Allerwichtigste auf der Welt (und nicht nur in der Musik).
Interessant ist, daß sich die EMI mit den Symphonien Konkurrenz im eigenen Hause macht: Sir Simon Rattle ist gerade dabei, Symphonien Shostakovichs aufzunehmen. Einen Monat vor der Veröffentlichung der Jansons-Box brachte Sir Simon die Symphonien Nr. 1 und 14 heraus. Neben den Aufnahmen seines lettischen Kollegen wirken die von Rattle allerdings ziemlich dürftig, obwohl beide die 1. Symphonie mit den Berliner Philharmonikern eingespielt haben. Hier verhält es sich also so wie in der Waschmittelwerbung: "Der Vergleich macht Sie sicher."
Jansons zehn wunderbare CDs sind jedenfalls auch noch mit den zwei witzigen Jazz-Suiten und dem "Tahiti-Trot" Shostakovichs gewürzt. Und wer danach noch immer nicht genug vom lieben Mariss hat, der sollte einen Blick zum Entertainment-Riesen Sony BMG riskieren - dort werden nämlich im Verborgenen wahre Goldschätze produziert, und Jansons legt mit seinem derzeitigen Orchester (ja, genau, das des Bayerischen Rundfunks) ein meisterliches Repertoire vor. Unlängst erschien Stravinskys "Feuervogel", gekoppelt mit Schtschedrins Klavierkonzert.
Wenn Sie sich schon die Shostakovich-Box geleistet haben, kommt es auf diese Einzel-CD auch nicht mehr an - und die Investition lohnt sich garantiert.
Herbert Hiess
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