Musik_Die schöne Müllerin

Lieder von Liebe, Natur und Tod

Im Theater an der Wien startete mehr als vielversprechend die Trilogie der Schubertschen Liedzyklen. Der englische Tenor Mark Padmore wurde dabei vom österreichischen Star-Pianisten Till Fellner begleitet. Schon der erste Teil war eine musikalische Sternstunde; hier wurde aus zwanzig Liedern ein berührendes und berückendes Gesamtkunstwerk.    17.11.2010

Das ehrgeizige Vorhaben des Opernhauses an der Wien, innerhalb von drei Monaten die drei einzigartigen Schubert-Zyklen aufzuführen, begann mit einem fulminanten Start: dem Liedzyklus "Die schöne Müllerin". Tenor Padmore demonstrierte schon in der "Matthäuspassion" in Wien und der "Johannespassion" in Grafenegg, was für ein phantastischer und kultivierter Sänger er ist. Seine Stimme ist - so seltsam sich das vielleicht lesen mag - einfach "grundehrlich". Hier wird nichts falsettiert oder gekünstelt, wie bei anderen "prominenten" Tenorkollegen, sondern einfach Musik auf schönste und feinste Weise dargeboten.

 

Mark Padmore hat ein so superbes Deutsch (bis auf ganz minimale Schnitzer), daß ihn sogar manch deutschsprachiger Gesangskollege darum beneiden müßte. Seine klare Diktion machte es möglich, dem Gesang ohne Mitlesen folgen zu können. Und Padmores Piani und Pianissimi waren das Schönste, was man seit langem gehört hat.

Franz Schubert komponierte "Die schöne Müllerin" 1823, also fünf Jahre vor seinem Tod. Der geniale Künstler war damals bereits schwer an Syphilis erkrankt und schuf im Allgemeinen Krankenhaus in Wien neben diesem Zyklus auch noch die Bühnenmusik zu "Rosamunde" und die Oper "Fierabras". Die Liedtexte lieferte der deutsche Dichter Wilhelm Müller; Schubert kreierte aus ihnen Strophenlieder. Die musikalische Form und die Modulationen gelangen ihm meisterhaft - jedes Lied ist ein eigener Mikrokosmos, eine eigene Welt. Fängt der Zyklus noch so richtig schön fröhlich und volksliedhaft mit "Das Wandern ist des Müllers Lust" an, so wird er gegen Ende hin immer pessimistischer und von Todessehnsucht geprägt.

 

Gesangs-Star Padmore ist der beste Interpret dieser Mikrokosmen und hatte auch ein Riesenglück, Till Fellner als Begleiter zur Seite zu haben - wobei der Pianist eher als eigenständiger Klavierkünstler in Erscheinung trat. Ohne dabei zu vergessen, daß er auf einen Sänger Rücksicht nehmen mußte, gestaltete er die wunderbaren Klaviersätze des Komponisten ganz grandios. Nur als Beispiel: In der vierten Strophe von "Das Wandern ist des Müllers Lust" betonte er bei den Worten "Die Steine" immer die Bässe, sodaß man das Gewicht der Steine direkt spüren konnte.

Die beiden Folgezyklen "Schwanengesang" und "Winterreise" sollte man also keinesfalls versäumen - besser wird man diese Lieder heutzutage in Wien kaum zu hören bekommen.

Herbert Hiess

Die schöne Müllerin

ØØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

Liederzyklus von Franz Schubert nach Gedichten von Wilhelm Müller

 

Mark Padmore, Tenor

Till Fellner, Klavier

 

Konzert am 13. November 2011 im Theater an der Wien

 

Hinweis:

"Schwanengesang" am 23. Jänner 2011

"Winterreise" am 20. Februar 2011

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