Musik_Dialogues des Carmélites
Tristes Klosterleben im Karmel
Im Theater an der Wien gibt es derzeit die Wiederaufnahme einer Oper zu sehen, die eigentlich gar keine ist - sondern eher ein szenisches Oratorium. Regisseur Robert Carsen hat das undramatische Werk so hervorragend umgesetzt, daß es 2011 genauso aktuell klingt wie bei seiner Premiere.
26.04.2011
Der kanadische Regisseur Robert Carsen hat offenbar ein Faible dafür, dramaturgisch sehr schwierige Stücke so in Dramatik zu verpacken, daß sie auf der Bühne eindrucksvoller wirken als so mancher "Opern-Reißer".
Nach "Semele" im September 2010 betreut er die gegenwärtige Wiederaufnahme von Francis Poulencs Bühnenwerk "Dialogues des Carmélites", das vor zwei Jahren im Theater an der Wien Premiere hatte. Die Besetzung hat sich insofern geändert, als statt Sally Matthews nun Patricia Petibon in die Rolle der "Blanche" geschlüpft ist. Petibon ist eine grandiose Bühnendarstellerin und verfügt über ein hervorragendes Stimmaterial, doch die "Blanche" ist für sie eher eine Charakterrolle. Obwohl sie auf der Bühne mit großer Intensität alles gibt, klingt ihre Stimme in diesem Stück doch manchmal etwas fahl, vor allem in der Mittellage. Hier wird sie in Sachen Stimmschönheit glatt von Hendrickje van Kerckhove als Konstanze ausgestochen (die Petibon übrigens 2008 sang).
Die übrige Besetzung ist ausgezeichnet, von Jochen Schmeckenbecher als Marquis de la Force über Wagner-Heroine Deborah Polaski als Oberin bis zu Michelle Breedt als superbe Mère Marie. Das ORF-Orchester unter seinem ehemaligen Chef Bertrand de Billy kostet alle impressionistischen Farben bis ins letzte Detail liebevoll aus.
Der französische Komponist Francis Poulenc lebte von 1899 bis 1963 in Paris und setzte auf seine Art den Impressionismus in der Musik fort, den der 1862 geborene Claude Debussy mitbegründet hatte. Ähnlich wie in Debussys Oper "Pelléas et Melisande" gibt es in Poulencs Werken keine durchgängige Melodie, sondern eher ein Parlando mit oft brutalen Akzenten.
Der Komponist machte die morbide Klostergeschichte "Dialogues des Carmélites" - die 1892, nach der französischen Revolution, tatsächlich stattgefunden haben soll - zu einer persönlichen Sache. Er schrieb das Libretto und die Musik nach dem Sujet von Georges Bernanos selbst und gestaltete das Werk eher als Tongemälde denn als durchkomponierte Oper, dafür aber in berückendsten Farben.
Genauso gemäldehaft inszenierte Carsen dieses Meisterwerk - wenn auch eher monochrom. Der Bühnenhintergrund ist völlig in Schwarz gehalten; sämtliche Effekte werden nur über die Personenführung und über Lichteffekte erzielt. Besser kann man das (musikdramatisch) so schwierige Stück gar nicht in Szene setzen.
Bis 29. April 2011 haben Sie noch Gelegenheit, das Werk im Theater an der Wien zu erleben. Danach wird es sicher nicht mehr so schnell live zu sehen sein.
Herbert Hiess
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