Musik_Cursive - Happy Hollow

Nichts für Faule

Gemessen an ihren bisherigen Platten kann man gerade noch verstehen, daß diese US-Rockband niemand kennt. Ihr neuer Longplayer sollte das aber sehr schnell ändern.    14.09.2006

Nach drei Jahren Absenz hat die aus Omaha in Nebraska stammende sogenannte Indie-Rockband Cursive - einst soll sie aus dem Fahrwasser von Fugazi aufgetaucht sein - ein neues Album auf dem Markt: "Happy Hollow" heißt es und ist ein kleines Meisterwerk.

Cursives bisher letzte Platte, "The Ugly Organ", war ein extrem sperriges, ebenso schönes wie ultrabrutales Album, dessen Grandiosität sich nur dem ausdauerndsten Hörer offenbarte, dann aber für monatelangen Betrieb sorgte und die Anlage regelmäßig bis zum äußersten Pegel trieb, was kaum jemand verstehen konnte.

"Happy Hollow" ist deutlich zugänglicher - im positiven Sinn. Die Musik ist ein undefinierbarer Genremix geblieben, der jeden Anflug von Schubladisierung bedingungslos abschießt: kunstvoll, intelligent, ja gar intellektuell. Aber sie funktioniert auch ohne geistige Konzentration, und das ist der große Unterschied zum Vorgängeralbum. Sänger Tim Kasher schreit gelegentlich noch immer gern, die Hardcore-Wurzeln bleiben spürbar, auch der gelegentliche atonale Wahnsinn und der Overkill durch gezielte Überinstrumentierung sind zu finden. Doch das Album insgesamt hinterläßt einen poppigen Eindruck, der zu sofortigem Nochmal-Hören animiert.

Die Songs sind abwechslungsreich, melodiös und immer wieder überraschend, niemals in vertrauter Weise arrangiert. Man wähnt sich zum Beispiel schon in einem der formidablen Schunkellieder der Schmusepopper Phoenix, da fährt ein Geräusch, das sich anhört, als würde draußen im All der Krieg eingetrommelt, wie eine Brechstange ins Arrangement und hebelt es aus, was sich aber schnell als zu homogen erweist, um störend zu wirken. PJ Harvey fällt einem dazu ein, Dexys Midnight Runners vielleicht. Kashers Stimme ist nahe dran, selten auch die Musik; das auf "The Ugly Organ" allgegenwärtige Chello taucht nur noch punktuell auf. Dafür gelingt es Cursive, Blasinstrumente zu meistern, die bekanntlich immer scheiße sind. Das rechtfertigt den noch wüsteren Vergleich mit dem einstigen David Bowie, der allerdings nur auf seinem Saxophon herumtröten durfte, weil man Bowie sowieso entweder bis über beide Ohren oder gar nicht liebte - abgesehen vom allfälligen Ignoranten, dem "nur die Hits" gefallen, aber solche Leute hören ja auch alles außer Techno und zählen nicht.

Cursive jedenfalls bleiben eine Band, deren Musik vorsätzlich gehört werden will, dann aber Langzeitwirkung auf den geneigten Konsumenten hat. Und die neue Platte ist bestens geeignet, davon deutlich mehr zu rekrutieren als bisher.

Klaus Hübner

Cursive - Happy Hollow

ØØØØ


Saddle Creek (USA 2006)

 

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