Musik_Coup deBam - Coup deBam

Die schönste Sprache der Welt

Das Debütalbum dieses kosmopolitischen Trios betört mit einer äußerst groovigen Mischung aus Lounge, Jazz und Pop - sowie einem deftigen Schuß orientalischer Dramatik.    14.04.2006

Der Pressetext warnt: "Schubladisierer werden sich an diesem Tonträger die Zähne ausbeißen."

Na ja, ganz so schlimm ist es nicht. Borgt man sich einen Begriff aus dem Jazz, so fällt es leicht, eine treffende Wortschöpfung zu kreieren. Wenn Jazzer unterschiedlicher musikalischer Herkunft eine Session spielen, entsteht "Fusion". Finden sich im Studio auch noch orientalische Bläser, Sängerinnen und Barden ein, kann man ruhigen Gewissens von "Ethno-Fusion" sprechen. Dies sei nur erwähnt, damit die Schubladisierer beruhigt sind. Was aber zählt, ist freilich allein die Musik.

Wer glaubt, bei Coup deBam handelte es sich um den tausendsten lauwarmen Aufguß schaler Versatzstücke, wie man sie etwa auf unzähligen Lounge-Compilations lieblos aneinandergereiht findet, ist völlig auf dem Holzweg. Die Musiker von Coup DeBam, eines kosmpolitischen Trio mit Arbeitsbasis in Wien, schaffen es mit links, die verstaubten heimischen Langeweiler-Lounge-Produzenten mit einem kräftigen Luftzug zu verscheuchen.

Hinter dem Projekt stecken keine Unbekannten. Die Austro-Türken Özden Öksüz und Metin Yilmaz fielen schon Ende der Neunziger durch ihren polyglotten Popfunk (als MC Sultan) positiv in den Dancefloor-Charts auf. Damals dominierte allerdings noch der Acid Jazz. Zu den Sultan-Musikern zählten auch dZihan und Kamien, die bald eigene Wege gingen. Den Acid nahmen sie bei dieser Gelegenheit gleich mit. Öksüz und Yilmaz setzten dagegen mehr auf Live-Sound und Improvisation und gründeten bald nach dem Split das Projekt Eden. Als sie später auf Producer-Genius Wilko Goriany trafen, erweiterten sie das Konzept zu Coup deBam.

Zusammen vereinen sie Orient und Okzident auf eine romantisch-farbenfrohe Weise, die sofort an die hängenden Gärten der Semiramis denken läßt. Byzantinische Streicher und türkische Bläser (!) schweben über satten Grooves, und in Kombination mit verführerischen Frauenstimmen (von Barbara Bandi und Madita) folgt auf dem Album eine Perle nach der anderen.

Die Band singt abwechselnd in Englisch, Türkisch und Spanisch und wird so ihrem kosmopolitischen Anspruch mehr als gerecht. Spanisch mag auf Anhieb vielleicht etwas seltsam anmuten, doch wer genau hinhört, findet in der spanischen Folkloremusik genug Fragmente, die sich ohne Zweifel auf die maurische Kultur zurückführen lassen.

Fest steht: Der von allzuvielen Unruhestiftern proklamierte "Kampf der Kulturen" findet nicht statt - zumindest nicht auf der Tanzfläche.

"Too Soon" ist ein feines, ergreifendes Duett, gesungen von Özden Öksüz und Madita; die Grenzen zwischen Ost und West verschwimmen vollends, was bleibt, ist eine Woge der Zärtlichkeit und Leidenschaft. "Find Me" erinnert gezielt an einen Old-School-Jazzklassiker, "Love Taksim" verrät spontan einige der Urban Roots der vielzüngigen Combo. Ein Vergleich mit Moloko drängt sich auf; Madita besitzt eine ähnlich ausdrucksstarke, markante Stimme, die fleißigen Beserln wiederum könnten auch von Laika stammen. Doch das sind nur ein paar Ingredienzien, denn vor allem sind es immer wieder die orientalischen Harmonien und arabesken Bläser, die uns in die sinnesberauschende Märchenwelt aus Tausendundeiner Nacht entführen.

Musik ist und bleibt die schönste Sprache der Welt.

Ernst Meyer

Coup deBam - Coup deBam

ØØØØ 1/2


Couch Records/Soul Seduction (Ö 2005)

 

Links:

Kommentare_

Musik
The Notwist - The Devil, You + Me

Weilheim revisited

Das Wiedersehen mit Bayerns Besten gerät auf deren sechstem Album zu einer sanften und melancholischen Reise ins Innere.  

Musik
The Orb - The Dream

Japanische Träumereien

Die Ambient-Dub-Veteranen geben ein starkes Lebenszeichen von sich. Ihr vor einem Jahr exklusiv für den japanischen Markt erschienenes Album ist nun weltweit erhältlich.  

Musik
Portishead - Third

Scratch is dead

Das mehr als zehn Jahre erwartete dritte Album des nach einer englischen Hafenstadt benannten Trios bietet alles mögliche - nur nicht das, was sich der ausgehungerte Fan erwartet hat ...  

Musik
Nine Inch Nails - Ghosts I-IV

Die Stunde der Geister

Trent Reznors neues Werk besteht aus 36 Instrumental-Songs, die über das Internet vertrieben werden. Trotz fehlenden Gesangs hört man deutlich, wer da an den Reglern saß.  

Stories
Bauhaus - Geschichte eines Stils

Vampire leben länger

Die Gründerväter des Gothic-Rock präsentieren nach 25 Jahren Pause ihr fünftes Studioalbum "Go Away White". Ernst Meyer begibt sich zu diesem Anlaß auf Zeitreise.
 

Musik
Autechre - Quaristice

Popsongs für Synapsen

Zwischenstation Zugänglichkeit? Der neunte Longplayer der Herren Booth und Brown ist in 20 Sound-Miniaturen gegliedert, die man guten Gewissens Popsongs nennen könnte. Na ja, zumindest fast ...