Musik_Cosmic Machine

Space is the Place

Die Compilation "Cosmic Machine - A Voyage Across French Cosmic & Electronic Avantgarde" serviert auf zwei CDs akustischen Retrofuturismus vom Feinsten. Lassen Sie sich hochbeamen!    31.01.2014

Die Zukunft wird selten so, wie man sie sich Jahrzehnte früher vorgestellt hat. Zum Beweis dafür muß man sich nur Stanley Kubricks Science-Fiction-Film "2001: Odyssee im Weltraum" ansehen, dessen Ausstattung letztlich mehr über seine Entstehungszeit als über die Zukunft erzählt. Aus heutiger Sicht steht der Film ebeno wie Roger Vadims "Barbarella" für ein Phänomen, das als Retrofuturismus bezeichnet wird. Auf dem unabhängigen Plattenlabel Because Music ist nun eine feine Compilation erschienen, die die musikalische Seite dieses Begriffs beleuchtet - oder, besser gesagt, eine bestimmte Facette davon. Denn "Cosmic Machine - A Voyage Across French Cosmic & Electronic Avantgarde" hat seinen Gegenstand klar abgesteckt: elektronische Musik, die im Frankreich der 1970er Jahre entstanden ist.

 

Frankreich ist kein unbeschriebenes Blatt, wenn es um elektronische Musik geht. Ganz im Gegenteil: Mit der Musique concrète hat das Land sogar die wahren Pioniere dieser Gattung hervorgebracht. Schon bevor in den achtziger Jahren ganz oder überwiegend elektronisch erzeugte Songs in der Popmusik salonfähig wurden, haben die Franzosen fleißig mit Synthesizern experimentiert. "Cosmic Machine" beleuchtet diese Ära und zeigt, daß zwar der Einsatz neuer Mittel avantgardistisch war, die entsprechende Musik ihre Hörer aber geschmeidig durch imaginäre Welten trägt.

Versammelt ist hier seltenes Material von bekannten Musikern wie Serge Gainsbourg, Jean-Jacques Perrey, Jean Michel Jarre und Cerrone, aber auch Beiträge von obskureren Komponisten wie René Roussel und Daniel Vangarde. Dabei ist ein schöner Sampler herausgekommen, der in sich immer stimmig bleibt, dabei aber sehr unterschiedliche Stile und Ansätze vereint. Von Ambient (Patrick Juvet) über tanzbaren Vocooder-Pop, Prog-Rock-Miniaturen (Alain Goraguer) und Disco aus fernen Galaxien (Universal Energy) bis zu einer frühen Form von Trance (Roussel) gibt es auf "Cosmic Machine" eine ganze Menge zu entdecken.

 

Tanzkompatible Hits sind auch einige darunter, etwa das eingängige "Magic Fly" oder "Spirit" von Frederic Mercier, das zu einem schleppenden Beat ein Gewitter an synthetischen Soundflächen hereinbrechen läßt. Außer in den Clubs wurde elektronische Musik damals häufig gar nicht als etwas Eigenständiges verstanden. So ist es durchaus bezeichnend, daß sich gleich mehrere Soundtracks auf dem Album befinden. Den Tracks gelingt es ohne weiteres, sich zu emanzipieren. Sie müssen nicht zwangsläufig Bilder untermalen, wenn sie selbst neue hervorrufen können. Außerdem bietet "Cosmic Machine" ein unerwartetes Wiederhören mit Giorgio Moroders hypnotischem Orgelthema "Tears", das auch DJ Shadow in seinem "Organ Donor" prominent gesamplet hat. Auf der raren B-Seite "Blackbird" benutzt Jean Michel Jarre ein ganz ähnliches Motiv. Wer bei diesen beiden im selben Jahr entstandenen Stücken vom wem geklaut hat, bleibt aber ein Geheimnis.

 

Obwohl die auf "Cosmic Machine" versammelten Stücke keineswegs homogen sind, vereint sie doch eine spezifisch französische Note. Dafür muß man sie nur mit der fast gleichzeitig entstandenen, psychedelischeren Kosmischen Musik aus Deutschland vergleichen oder auch mit aufgedrehtem Italo-Disco, der ein wenig später mediterrane Clubbesucher zum Schwitzen brachte. Oft werden die Tracks von kindlichen Melodien angetrieben, die immer auch von einer gewissen Melancholie geprägt sind. Minimalismus ist das keiner, eher eine barocke Opulenz, die mitunter auch an den Grenzen des guten Geschmacks entlangschreddert. Im Hinblick auf die gegenwärtige elektronische Musik besticht aber gerade der Mut zur großen Geste, zu Pathos und Gefühl. Und natürlich hat längst eine neue Generation an Musikern die Tradition ihrer Ahnväter weitergeführt. Französische Acts wie Air, Justice und vor allem Daft Punk haben sich dabei nicht nur musikalisch inspirieren lassen. Letztere haben ihre mittlerweile sogar patentierten Weltraumhelme direkt den Bühnenkostümen der Roboter-Band Space entliehen.

Wer sich für die Geschichte der elektronischen Musik interessiert oder eine Schwäche für Science-Fiction-Klänge hat, dem sei diese Compilation wärmstens empfohlen - nicht zuletzt, weil CD und LP auch ästhetisch sehr ansprechend gestaltet sind. Booklet und Hülle werden immerhin von den dystopischen Illustrationen des Comic-Zeichners Philippe Druillet veredelt. Das macht "Cosmic Machine" endgültig zu einer rundum gelungenen Reise in eine ferne Galaxie, die es in Zukunft noch weiter zu erforschen lohnt. Bon voyage.

 

Michael Kienzl

V/A - Cosmic Machine - A Voyage Across French Cosmic & Electronic Avantgarde

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Was Word and Sound (Alive) 2013

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