Chimaira - Chimaira
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Roadrunner /edel (USA 2005)
Chimairas drittes Album entzieht sich gekonnt jeder Schubladisierung und bietet modernen Powermetal, der nur eine Richtung kennt: Nach vorne. 13.10.2005
Chimaira, das antike Schreckgespenst aus Cleveland, definieren sich auf ihrem selbstbetitelten Album neu. Verantwortlich dafür sind nicht nur frische Band-Mitglieder, sondern auch der fromme Wunsch des Frontmans Mark Hunter, sich von den typischen Klassifzierungen wie "NuMetal", "Metalcore" oder "New Wave of American Heavy Metal" zu distanzieren. Hunter weiß auch genau, warum: Nur zu schnell nützen sich diese euphemistischen Trendbezeichnungen der Musikpresse ab - und was gestern hip war, ist morgen ausgelutscht und scheel.
Chimaira kann das nicht passieren. Nach fast zwei Jahren auf Tournee klingen sie auf "Chimaira" so ausgeruht wie noch nie. Die Songs sind klar durchstrukturiert und mit Tempiwechsel versehen; zum ersten Mal dürfen die Gittaristen Matt DeVries und Rob Arnold so richtig in die Saiten greifen und solieren. Der Opener "Nothing Remains" macht von Anfang an deutlich, wofür Chimaira nun stehen: Mark Hunter schreit sich die schwarze Seele aus dem Leib, und Drummer Kevin Talley (Ex-Misery-Index) legt tierisch los und prügelt dem Hörer den Doublebass "right in your face". Stand bei "Impossibility of Reason" noch der Beat im Vordergrund, so setzen sich auf "Chimaira" nunmehr die Rhythmusgitarren durch. Hunter bleibt stimmlich permanent im Hardcore-Lager, doch verleiht das den Songs eben seinen typischen Stempel. "Nothing Remains" wurde aufgenommen, nachdem die Band von Dimebag Darrells Tod erfahren hatte. Vielleicht mit ein Grund für die besonders potente Aggressivität, die Hunter hier verbreitet. Der Aufbau des Songs steht stellvertretend für die ganze Scheibe. Zuerst setzen die brutalen Drums ein, dann folgt ein Solo und später, so ab der vierten Minute, beherrschen scharfe Stakkatos und schmetternde Riffs das Geschehen.
"Save Ourselves" ist ein giftiger Bastard mit unvergesslichen Textzeilen: "Can you feel us?/We are stronger/We prey on the weak and conquer" - Adreanlinschübe garantiert. Auf "Inside the horror" wird´s dann richtig böse. Die Tore der Hölle öffnen sich, beißend und nagend überflutet die schwarze Brut das uns bekannte Universum. Damit es jedoch nicht zu "Black" wird, bleibt Hunter, wie gesagt, immer auf Hardcore-Trip. Schließlich haben wir es hier ja nicht mit einer faden Death- oder Blackmetal-Band zu tun. Vielmehr geht "Chimaira" in eine Richtung, die man noch am ehesten mit Thrash oder Speed vergleichen kann. Gelegentlich leuchten dabei die funkelnden Diamanten der Altvorderen. Die Gitarrensoli erinnern an Testament jüngeren Datums, und die Drums könnten auch von Fear Factory oder Machine Head stammen. Was jedoch zählt, ist die Mischung - und die ist einzigartig. "Salvation" ist ein klassisch-epischer Song mit einem Harmonie(!)-Spritzer im Refrain. Hier kann man auch den einen oder anderen Synthie-Sound erhaschen, freilich dezent im Hintergrund. Trotzdem oder gerade deshalb sorgt Keyboarder Chris Spicuzza des öfteren für hintergründige unheimliche Atmosphären.
Auch Mark Hunters düsteren Weltuntergangs-Lyrics kann man sich wahrlich nur schwer entziehen. Wenn er schon nicht Satan selbst ist, so ist er zumindest einer seiner vertrautesten Dämonen. Krieg, Verwesung, Armageddon: "Left For Dead" bringt es einmal mehr auf den Punkt. Wo die Chimäre, dieses feuerspeiende Monstrum mit dem Körper einer Ziege, dem Kopf eines Löwen und dem Schwanz eines Drachen auftaucht, zeugt verbrannte Erde von ihrem Vorbeiziehen, der Tag verwandelt sich zur Nacht, und die schlimmsten Alpträume werden lebendig ...
Auch die Länge der Songs fällt auf: Auf "Chimaira" ist keiner unter fünf Minuten geraten, und das in einer Zeit, wo die meisten Metal-Bands emsig bemüht sind, MTV-gerechte Songs zu produzieren. Chimaira bleiben abseits vom Mainstream, was zunehmend eine Tugend ist. Ihre Fans werden es ihnen gewiß danken.
Dabei haben sie harte Zeiten hinter sich, tourten die letzten Jahre quer durch die Welt (als Headliner auf dem Ozzfest 2003, dem Jagermeister Spring 2004, wo sie auf Slipknot und Fear Factory trafen, und die Summer 2004 Road Rage Tour mit Machine Head). Das macht 330 Auftritten in 21 Ländern. Dazu kamen immer wieder Streitereien mit Band-Mitgliedern, die nicht mehr konnten oder wollten; genaugenommen sind nur mehr Mark Hunter und Rob Arnold von der ursprünglichen Besetzung übrig. Eine Band wie Chimaira ringt ihren Musikern eben alles ab, was sie geben können. Kein Wunder, daß der Personalverschleiß enorm ist. Chimaira frißt ihre Kinder.
Umso erstaunlicher, daß die Band ein Album abgeliefert hat, das konsolidiert und geordnet wirkt, hervorragend gespielt ist und auf dem man den Musikern wirklich anhören kann, daß sie sich die Finger wund spielen. Diese Ehrlichkeit findet man im Metal-Genre nur noch selten.
Chimaira - Chimaira
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