Christian Thielemann - The Orchestral Recordings on Deutsche Grammophon
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Box-Set
div. Orchester und Solisten/Christian Thielemann
Deutsche Grammophon/Universal (D 2019)
Auch zwischen Weihnachten und Frühsommer sind die Tonträgerproduzenten sehr aktiv. Und auch zu dieser Zeit ist es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Der EVOLVER-Klassikexperte ist gern dabei behilflich, einen Überblick über Highlights und weniger beachtenswerte Produktionen zu geben. 04.06.2019
Christian Thielemann ist 2019 mit seinem Sechziger ein Jubilar, der mit interessanten Ausgaben aufwarten kann. Der deutsche Dirigent, der sich selbst gern als Kapellmeister bezeichnet, hat auch im besten Sinne des Wortes eine profunde Karriere hingelegt, in der er als richtiger Korrepetitor begann (u .a. auch für Herbert von Karajan). Die von seiner Stammfirma Deutsche Grammophon aufgelegte Box gibt einen schönen Überblick über sein ganzes symphonisches Repertoire. Von Beethoven über Schumann und Brahms bis hin zu Pfitzner und Richard Strauss spannt sich der musikalische Bogen des Maestros. Während er bei Strauss und größtenteils bei Wagner unerreicht ist, nerven manchmal seine Interpretationen von Beethoven, Schumann und Brahms.
Thielemann taucht diese Komponisten zeitweise in eine übermäßig schwülstige und schwer verdauliche Sauce, die die erwähnten Komponisten sogar teilweise entstellt. Gerade bei den Schumann-Symphonien ist das deutlich hörbar. Schumann I in der großen Box mit dem Philharmonia Orchestra London ist da noch erträglich; die Neuauflage bei Sony mit seiner Dresdner Staatskapelle allerdings recht schwer genießbar. Mit oft unlogischen Temporückungen beeinträchtigt der Dirigent das Hörerlebnis, in allen vier Symphonien kann sich nie eine richtige Dynamik entwickeln. Referenzteil ist bei der vierten Symphonie der Übergang vom dritten zum vierten Satz. Während er bei Thielemann fast zu brav und uninteressant klingt, ist dieser Teil bei Herbert von Karajan mit den Wiener Philharmonikern ein extremes Klangerlebnis. Vielleicht hätte Herr Thielemann beim Korrepetieren Maestro Karajan mehr über die Schulter schauen sollen.
Das Jahr 2020 wird mit dem 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven wieder einmal ein "Beethoven-Jahr", das die Plattenfirmen wahrscheinlich zuhauf die Symphonien und Klavierkonzerte des großen Komponisten lancieren läßt. Hier muß man die besten Produktionen geradezu mit der Lupe suchen; tatsächlich finden sich dann aber doch hin und wieder hochinteressante Neuaufnahmen. Die Neuproduktion der Symphonien mit dem WDR-Sinfonieorchester unter Jukka-Pekka Saraste ist eine der besten Aufnahmen der jüngeren Vergangenheit. Ohne die übertrieben-hysterische "historische Informiertheit" beleuchten der Dirigent und das hervorragende Orchester mit der richtigen Portion Dynamik, Klangschönheit und mitreißendem Verve die unsterblichen Werke - die Box ist ein hochinteressantes Erlebnis. Genauso hervorragend ist Beethoven II der Deutschen Grammophon unter Herbert von Karajan auf Blu-ray. Die Produktion vom Ende der 70er Jahre untermauert Karajans Ruf als einzigartiger Beethoven-Dirigent.
Sir Simon Rattle ist noch gar nicht so lange Chef des London Symphony Orchestra - und mit seinen Tonträgerproduktionen schon mehr als rührig. Die herausragendsten dabei sind Berlioz´ "La Damnation de Faust" und Leonard Bernsteins "On The Town". Genial bei beiden Aufnahmen sind Chor, Orchester und die jeweils hervorragenden Sängerbesetzungen. Offenbar gelangt Sir Simon auf seine "alten Tage" auf den Zenit seinen Schaffens. Er wird uns Hörer hoffentlich mit noch vielen weiteren Produktionen erfreuen.
Der niederländische Stardirigent Bernard Haitink hat am 4. März 2019 seinen 90. Geburtstag gefeiert und ist trotz dieses beachtlichen Alters noch so rührig wie ein Jugendlicher. Der Bayerische Rundfunk hat nicht auf den Jahrestag vergessen und für den Jubilar eine wunderschöne Box mit den besten Produktionen aus München veröffentlicht. Hier finden sich Meisterwerke von Haitinks Lieblingskomponisten Haydn, Beethoven, Bruckner und Mahler - alle meisterhaft von Chor, Orchester und dem Maestro interpretiert.
Hector Berlioz begang im März 2019 seinen 150. Todestag, der irgendwie fast unterging. Trotzdem hat die Universal eine grandiose Box mit seinen wichtigsten Werken wieder aufgelegt. Und niemand geringerer als der großartige John Eliot Gardiner interpretiert hier mit seinem Orchestre Revolutionaire et Romantique Berlioz auf höchstem Niveau. Es ist eine wahre Freude, diese Meisterwerke mit dem Maestro zu hören.
Der lettische Dirigent Andris Nelsons hat offenbar die "White Card" bei der Deutschen Grammophon und den wichtigsten Orchestern. Jetzt darf er ja mit den Wiener Philharmonikern 2020 nicht nur das Neujahrskonzert dirigieren, sondern auch für das besagte Beethoven-Jahr alle Symphonien aufnehmen. Mit Karl Böhm und Leonard Bernstein hörten die Spitzenproduktionen dieser Symphonien mit dem Orchester leider auf; die letzte Gesamtaufnahme unter Christian Thielemann war nicht wirklich besonders. So wie es aussieht, wird Nelsons diesen Trend fortsetzen.
Auch bei den Bruckner-Symphonien strahlt der Dirigent leider eine gewisse Bedeutungslosigkeit aus. Nelsons beweist bei der 6. Symphonie eindrucksvoll, wie schwierig dieses Werk klanglich umzusetzen ist. Schon im ersten Satz scheitert er an dem "beinhart" zu nehmenden Rhythmus; es gibt auch viel zu viele unlogische Temporückungen. Diese setzen sich im herrlich Mahler-artigen 2. Satz (Adagio) fort, der dynamisch und agogisch (Anm.: tempomäßig) regelrecht zerfällt. Der Satz ist, wenn man so will, von Bruckner her einer der geschlossensten überhaupt. Schade, daß hier quasi nur einzelne Partikel (wenn auch sehr sauber herausgearbeitet und gespielt) überbleiben.
Ein Erbe des allzu früh verstorbenen Chefs der Tschechischen Philharmonie, Jiri Belohlavek, sind die von Josef Suk komponierte Schauspielmusik zu "Fairy Tale" sowie die Symphonie "Asrael". Hier tauchen der großartige Dirigent und das ebensolche Orchester tief in die tschechische Romantik ein. Die vorliegende Aufnahme läßt hoffen, daß sich noch viel mehr Tonaufnahmen von Belohlavek in den Archiven befinden. Sein allzu früher Tod ist ein Riesenverlust in der sowieso kargen Landschaft der Meisterdirigenten.
Christian Thielemann - The Orchestral Recordings on Deutsche Grammophon
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Box-Set
div. Orchester und Solisten/Christian Thielemann
Deutsche Grammophon/Universal (D 2019)
Schumann: Symphonies
ØØØØ 1/2
Gesamtaufnahme
Robert Schumann: Symphonien Nr. 1-4
Staatskapelle Dresden/Christian Thielemann
Sony Classical (D 2019)
Beethoven: Complete Symphonies
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Gesamtaufnahme
Ludwig Beethoven: Symphonien Nr. 1-9
div. Solisten und Chöre
WDR Sinfonieorchester/Jukka-Pekka Saraste
Haenssler (D 2019)
Beethoven II unter Karajan auf Blu-ray
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Produktion aus den 70ern
div. Solisten
Berliner Philharmoniker/Herbert von Karajan
Deutsche Grammophon/Universal (D 2019)
Hector Berlioz: La Damnation de Faust
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Gesamtaufnahme
div. Solisten und Chor
London Symphony Orchestra/Sir Simon Rattle
LSO-Label (GB 2019)
Leonard Bernstein: Wonderful Town
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Gesamtaufnahme
div. Solisten + Chor
London Symphony Orchestra/Sir Simon Rattle
LSO-Label (GB 2019)
Bernhard Haitink - Portrait
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Compilation
Werke von Haydn, Beethoven, Bruckner und Mahler
div. Solisten und Chor
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks/Bernhard Haitink
BR-Klassik (D 2019)
Anton Bruckner: Symphonien Nr. 6 und 9
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Doppel-CD
Anton Bruckner: Symphonien Nr. 6 + 9
Richard Wagner: div. Werke
Gewandhausorchester Leipzig/Andris Nelsons
Deutsche Grammophon/Universal (D 2019)
Josef Suk - Asrael/Fairy Tale
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Doppel CD
Josef Suk: Asrael und Fairy Tale
Tschechische Philharmonie/Jiri Belohlavek
Decca/Universal (D 2019)
Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.
Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.
Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.
Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.
Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.
Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.
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