Broadcast - Tender Buttons
ØØØØ 1/2
Warp/edel (GB 2005)
Auf ihrem dritten Longplayer beweist die Birminghamer Formation, wie einfach guter Pop sein kann, wenn Yin, Yang, der Mond und übersinnliche Meditationen eine Einheit bilden. 17.11.2005
Neuerdings sind von Broadcast nur mehr Sängerin Trish Keenan und ihr Freund James Cargill übrig. Gitarrist Tim Felton warf nämlich vor einiger Zeit das Handtuch. Als vor zwei Jahren auch noch Drummer Neil Bullock aufgab, wurden Gerüchte über Auflösung und Rückzug von Broadcast akut. "Tender Buttons" beweist nun das genaue Gegenteil und liefert 13 hypervitale Avant-Popsongs, die auch gleich von unnötigem Ballast befreit wurden.
Erschienen "The Noise That People Make" und "Haha Sound" (2003) aufgrund experimenteller Musik-Gimmicks vielfach manieriert und überfrachtet, liegt der besondere Reiz von "Tender Buttons" in der totalen Reduktion. Man könnte auch sagen: Die Köche, die bisher den Brei verzuckerten, sind endlich weg. Der Broadcast-Sound ist purer denn je: Trish Keenans zauberhafte "automated poetry" (Reizwortlyrik), gepaart mit James Cargills Manie für prähistorische Synths und hochfrequente Flageolett-Töne, meist harsch durch die Distortion-Box gedrückt, ergeben klar strukturierte, kohärente Songs. Diese klingen erstmals mehr nach der großen kosmischen Musik der 70er Jahre als nach 60er-Psychedelia.
"Tender Buttons" ist gewissermaßen elektronischer als seine Vorgänger. Mitverantwortlich dafür ist der Verlust des Drummers. Eine blubbernde Drumbox à la Harmonica oder Neu sorgt für ausgezeichneten Ersatz. Aus diesem Pulsieren wiederum ergibt sich ein hypnotisches Geflecht, das den Hörer unweigerlich in seinen Bann zieht. Keenans Stimme leuchtet wie jungfräulicher Schnee; sie ist ein engelhaftes Wesen, vielleicht das letzte seiner Art. Cargill schafft das Fundament, den Boden, schroff und schrill wie die Welt - und über allem wacht Keenan luzide wie ein Engel auf dem Mond. Sie blickt mit großen Augen gütig auf das Elend der Sterblichen herab, und Träumen gleich fallen Bilder aus ihrem Mund.
Mitunter scheint die Musik mit ihren Lyrics wettzueifern, doch erst im Zusammenspiel ergibt alles einen Sinn. Die Chemie zwischen Trish und James stimmt: Wie Yin und Yang, das Männliche und das Weibliche, jeweils auch ein Stück des anderen beinhaltet, entbehren Keenans Lyrics nicht einer gewissen sinistren Schärfe, während Cargill mit seinen archaischen (Kinder-)Melodien viel feminine Harmonieliebe beisteuert.
"America´s Boy", die erste Single-Auskopplung, kann als ätherisches Anti-Irakkrieg-Lied verstanden werden, "Michael" als Liebesgedicht einer Mutter an ihren Sohn. Keenan steht unbestritten am Höhepunkt ihres schreiberischen wie singerischen Könnens. "Subject to the Ladder" erinnert nicht von ungefähr an legendäre 4AD-Interpretinnen wie Kendra Smith. Bei Songs wie "Black Cat" oder "Corporeal" kann es leicht passieren, daß wir alles rund um uns vergessen. Des Lebens Wirrwarr rückt verschwommen in den Hintergrund, und über den Betonschluchten erstrahlt das Licht. Das perfekte Gegengift zu einer reizüberfluteten, von Oberflächlichkeit paralysierten Welt.
Broadcast - Tender Buttons
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Warp/edel (GB 2005)
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