Björk - Medúlla
ØØ
One Little Indian/Universal (Island 2004)
"Instruments are so over" verkündet die seltsame isländische Elfe zu ihrem neuen Album - und setzt dabei voll und ganz auf die Kraft der Stimme. 10.09.2004
Sie habe in den letzten Jahren plötzlich die Lust am Singen entdeckt, meinte Björk in einem kürzlich erschienenen Interview. Daher sei ihr neuer Longplayer "Medúlla" auch eine A-cappella-Platte geworden, denn Instrumente seien doch wirklich längst passé. So weit, so gut, könnte man meinen, würde die gute Dame nicht schon seit Ewigkeiten ihre Lust am Singen ausleben und innerhalb beinahe jedes ihrer Stücke die Tonleiter von oben nach unten und wieder retour singen.
Doch damit nicht genug: Mark Bell, der Björk schon früher, in ihrer besten Zeit, unterstützt hatte, ist wieder mit von der Partie und sorgt dort für ein paar Beats, wo die Creme de la Creme der Human Beatboxes (Rahzel, Shlomo, Dokaka) offensichtlich nicht ausreicht. Matmos, die Björks letzte Platte produziert hatten, sind ebenfalls wieder vertreten, und dann gibt es noch eine illustre Runde prominenter Gastsänger, unter anderem die Inuit-Sängerin Tagaq, Fantomas- und Faith-No-More-Frontman Mike Patton und den ehemaligen Soft-Maschinisten Robert Wyatt.
Doch all diese klingenden Namen dienen bei Björk einmal mehr dem Namedropping und als reine Background-Unterstützung. "Medúlla" wird von Islands Exportelfe ganz allein dominiert; alle anderen Musiker werden zum schicken Aufputz degradiert, den man, würde man im Booklet nicht davon lesen, wahrscheinlich nicht einmal wahrnehmen würde. Bis auf drei Nummern dümpeln alle Stücke in einer Mischung aus purer Langeweile und anstrengender vokaler Selbstbeweihräucherung dahin. Zwei der besagten Tracks sind allerdings sehr angenehm - das sollte bei aller Enttäuschung doch nicht verschwiegen werden. Doch das relativ kurze Album kann kaum mehr als zehn Minuten lang die Aufmerksamkeit für sich gewinnen. Stünde vorne nicht Björk drauf, so würde es wahrscheinlich von der Allgemeinheit völlig ignoriert.
Singen ist wahrscheinlich die älteste Form von Musik überhaupt und in der Avantgarde seit Jahrzehnten ein weitverbreitetes Phänomen. Daß Björk die sensationelle Vokalistin Meredith Monk bewundert, ist kein Geheimnis, nicht umsonst coverte sie live des öfteren deren Song "Gotham Lullaby". Doch daß sie so tut, als hätte sie das Genre jetzt erfunden, ist wieder einmal anstrengendes prätentiöses Stargehabe. Björk ist und bleibt Pop, auch wenn sie unterschiedliche alternative Einflüsse in den Kommerzmarkt einführt. Aber eine wirklich schräge Platte wird sie nie machen. Stattdessen wird sie von Release zu Release langweiliger.
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