Musik_Beethoven - Klavierkonzerte Nr. 1 & Nr. 4

Über kurz oder Lang Lang

Endlich ist das Vorurteil widerlegt, wonach Künstler, die in Klatschspalten vorkommen, nicht wirklich gut sein können. Dem Society-Chinesen Lang Lang ist nämlich der Spagat gelungen, Beethoven spektakulär und dennoch hochmusikalisch zu interpretieren - und das trotz eines mittelmäßigen Dirigenten.    17.07.2007

Der chinesische Pianist Lang Lang hat mit seinen zarten 25 Jahren offenbar schon den Gipfel des Weltruhms erreicht - was bei dem Hardcore-Marketing, das man ihm angedeihen läßt und ließ, aber auch kaum vermeidbar war. Das Erfreuliche bei ihm ist jedoch, daß ihm dieser Trubel à la Netrebko/Villazon keineswegs zu Kopf gestiegen ist. Lang Lang ist stets am Boden geblieben und im Herzen irgendwo wohl noch immer ein Kind. Wenn er also nicht übermäßig verheizt wird, ist sein Aufstieg in den Olymp der Spitzenpianisten so gut wie sicher.

Einen profunden Beweis für seine Virtuosität und vor allem seine Musikalität hat der Chinese mit der Neuaufnahme von Beethovens Klavierkonzerten "Nr. 1 in C-Dur" bzw. "Nr. 4 in G-Dur" erbracht. Die beiden Konzerte sind - obwohl vom selben Komponisten - zwei völlig verschiedene Welten. Klingt das erste noch so richtig "klassisch", ist das vierte bereits eine Vorstufe zur Romantik und ein an sich kaum vergleichbares Werk. Es beginnt mit einer Solokantilene am Klavier, die dann vom Orchester beinahe zögernd aufgenommen wird, und steigert sich letztlich zu einem beinahe militärischen Ausbruch (siehe Napoleon). Der zweite Satz ist ein Duett zwischen einem zarten Klavier- und einem strengen Orchestersatz, wobei am Schluß das "strenge Orchester" dem "zarten Klavier" nachgibt - wäre das nur in vielen Ehen und Beziehungen so. Der letzte Satz ist schließlich ein fast klassisches Rondo.

Lang Lang hat im Dirigenten und ehemaligen Pianisten Christoph Eschenbach seinen Mentor gefunden. Wie im Beiheft ausführlich beschrieben wird, haben sich die beiden bei einem Festival kennengelernt, worauf Eschenbach so begeistert war, daß er den chinesischen Künstler unter seine Fittiche nahm. Ein Ergebnis ihrer Zusammenarbeit ist diese hervorragende Neuaufnahme, die aber noch besser geworden wäre, wenn ein anderer Dirigent ein anderes Orchester mit mehr Impetus und Biß geleitet hätte.

Der Vorteil ist, daß Orchester und Dirigent sauber begleiten und nicht stören. Und der Pianist läßt sich sowieso nicht dreinreden - großartig, mit welchem Witz er manche Figuren spielt und wie sinnlich gewisse Läufe und Kantilenen klingen. Das macht ihm so schnell keiner nach. Da Lang Lang außerdem noch so jung ist, hat er ohnehin gute Chancen, diese Werke noch öfters produzieren zu können (siehe Alfred Brendel). In einer anderen Konstellation könnte dann eine Produktion von selten gehörter Größe entstehen.

Herbert Hiess

Beethoven - Klavierkonzerte Nr. 1 & Nr. 4 (CD & Bonus-DVD)

Lang Lang, Klavier


Orchestre de Paris/Christoph Eschenbach

 

ØØØØØ (Pianist)

ØØØ (Orchester und Dirigent)

 

Deutsche Grammophon/Universal (D 2007)

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