Autechre - Untilted
ØØØØ 1/2
Warp/edel (GB 2005)
Ohne Vorankündigungs-Pomp liegt es plötzlich auf dem Teller: Das achte Album der legendären Manchesterianer führt den Hörer noch tiefer hinein in deren mathematisch-abstrakte Welt. 09.05.2005
"Confield" und "Draft 7.30" waren Wegweiser und Orientierungshilfen gleichzeitig. Nur die hartgesottensten und Cut-Up-süchtigsten Autechre-Fans blieben an Bord, die Fachpresse war gespalten. Als dann auch noch "Gantz Graf" die Trommelfelle massierte, war wirklich nur mehr der ganz harte Kern übrig. Und schon sei verraten: Es hat sich ausgezahlt durchzuhalten.
Nochmal von vorn. Sean und Rob haben eine Vorliebe für "Eight Letter Words". Das fängt schon bei ihrem Bandnamen an. Au-tech-re. Macht acht Buchstaben in der Suppe. Acht ist auch das Zählmaß für zwei Einviertel-Takte, so bastelt man lange Loops. Auch "Confield" besteht aus acht Buchstaben - genauso wie "Untilted": keinesfalls purer Zufall.
Seit "Tri Repetae" sind zehn Jahre vergangen. Damals war die Ziffer "Drei" der Schlüssel zu Autechres symmetrischen Stücken. Mit den Jahren und zunehmender Komplexität wurden später auch die Muster, die Pattern komplexer. Folgten ihre Tracks bisher trotz aller Eckigkeit stets einem klassischen Aufbau, verliert der Hörer bei "Draft" und ganz sicher bei "Untilted" völlig die Orientierung. Aber gerade das macht Autechre-Hören so spannend, denn man weiß: Nach ein paar Mal gewissenhaftem Durchspielen lassen sich die Strukturen intuitiv erfassen.
Am Anfang ist aber erst mal das Chaos: Der Opener "LCC" legt gleich voll los, da ist kein Raum zum Durchatmen. Zerhackte Bits und Beats, stockende Snare Drum, ein HipHop-Pattern läuft Amok. Dazu noch Samples und Rolls, ein hermetisches Gebilde. Nach ca. drei Minuten beruhigen sich die Maschinen und das Tempo wird drastisch reduziert. Im Mittelteil verwandelt sich der Track in ein funkiges Dub-Experiment, die einzelnen Instruments werden jetzt detaillierter vorgestellt. Man erkennt die metallischen Percussionklänge, das vertraute spulenartige Auf- und Abwickeln der Sample-Kaskaden, die Clicks und Cuts. Dann erst setzen sanfte Melodien und verwaschene Klänge über der Batterie aus Schlägen und Metall-Percussion ein. So geht es dem Ende entgegen: Das Arrangement kühlt zunehmend ab. Aus Chaos wird Eros.
"Ipacial Section" bleibt konstant bei seinem Tempo und dreht sich wie ein Kreisel um sich selbst, wobei wie bei einem Excenter immer wieder einzelne Elemente aus der Bahn zu fallen drohen. Ein Feuerwerk an Impressionen, aber in Summe nicht so monströs wie "Gantz Graf". "Pro Radii" ist eines der feinsten Stücke Autechres - nicht nur auf diesem Album sondern überhaupt: Manisches Industriegestampfe unter fast sakralem Thema, spannend vom ersten bis zum letzten Takt. "Augmatic Disport" erinnert wieder an das Loop-Gehäcksel von "Confield", doch auch hier beruhigt sich der Mittelteil des Stücks.
"Lera" könnte ein Relikt vom fünften Album sein, es zerfließen die mäandernden Patterns in alle Richtungen, auch das Tempo verändert sich ständig. Hier kann man nur noch schwerlich von Struktur sprechen. Doch das ist ja gerade das oberste Arbeitsprinzip von Autechre: Strukturen zu brechen, um Neues zu erschaffen. Betrachtet man einmal diesen Aspekt ihrer Arbeit, verwundert es nicht, daß Autechre nicht nur bei IDM-Nerds, sondern auch bei Indutrial-Puristen seit eh und je regen Anklang fanden.
"Fermium" stellt den konventionellsten Song auf dem Album dar - straighter Rhythmus und eine verwunschene Melodie, sehr schön. "The Trees" hat so gar nichts Botanisches an sich. Zyklisch wickeln sich die Sounds, die Loops um die vertrackten Melodiekürzel. Am Ende des Stückes steigt aus dem Nichts wie Nebel ein rauschendes Geräusch auf, das letzlich das gesamte Stück verschluckt und ein unwirtliches digitales Niemandsland zurückläßt. "Sublimit" ist ein würdiger Abschluß und zeigt Sean und Rob in Electro-Laune. Kein Genre ist ihnen fremd. Faszinierend wie sie es schaffen die Entwicklungen aus fast 15 Jahren moderner Elektronik in ein einziges langes Stück zu packen. Mit der Grandmaster-Flash-Orgel auf "Sublimit" hätte wohl wirklich niemand gerechnet.
Fazit: "Untilted" ist frisch, spritzig und überrascht immer wieder durch unvorhersehbare Drehungen und Wendungen. Besondere Empfehlung.
Autechre - Untilted
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