Anna Netrebko - Sempre Libera
ØØØØ 1/2
Mahler Chamber Orchestra; Claudio Abbado
Deutsche Grammophon/Universal (D 2004)
Sie war sowas wie ein Klassik-"Starmaniac". Doch im Gegensatz zu ihrem Debüt ist ihr aktuelles Album mehr als gelungen - nicht zuletzt wegen Claudio Abbado. 11.08.2004
Anna Netrebko begann ihre Karriere als Putzfrau im Kirov-Theater in St. Petersburg, wo sich auch ihr Interesse an der Musik entwickelte. Später wurde sie vom russischen Stardirigenten Valery Gergiev entdeckt und erarbeitete mit ihm viele Rollen. Dank ihrer schönen Stimme und ihres ansprechenden Aussehens wurde sie bald von der Deutschen Grammophon unter Vertrag genommen und (fast brutal) gepusht. Ihre erste Arien-CD entstand vor ungefähr einem Jahr mit den Wiener Philharmonikern - und einem eher inferioren Dirigenten. Zu allem Überdruß war Netrebko damals noch indisponiert. Das Ergebnis war letztlich eine grandiose Bauchlandung: eine CD, die nicht einmal das Prädikat "mittelmäßig" verdiente.
Umso erfreulicher präsentiert sich die vorliegende Neuerscheinung, die rechtzeitig zu den Salzburger Festspielen veröffentlicht wird. Die Produktion steht unter dem Motto "Belcanto". Mit Arien und Szenen aus Verdis "La Traviata", Bellinis "La Sonnambula" und "I Puritani" sowie der Wahnsinnsszene aus Donizettis "Lucia di Lammermoor" beweist Frau Netrebko, was wirklich in ihr steckt. Mit glockenreiner Stimme perlt sie Koloraturgirlanden so herunter, als wäre das die einfachste Sache der Welt. Sie versucht merkbar, auch immer gefühlsbetont und ausdrucksstark zu singen, was sie auch recht gut zusammenbringt. (In der "Traviata" bleibt allerdings nach wie vor Ileana Cotrubas federführend.)
Der Garant des Gelingens dieser Produktion ist ohne Zweifel Dirigent Claudio Abbado. Mit dem Mahler Chamber Orchestra beweist er eindrucksvoll, wie spannend und interessant Belcanto sein kann. In eigentlich minimaler Besetzung erreicht er ein Maximum an Wirkung. Traurig, daß man mit Abbado keine Belcanto-Opern einspielt - was wäre das für eine Bereicherung für das CD-Repertoire! Der Maestro überredete Anna Netrebko zur großen Szene der Desdemona aus Verdis "Otello" und zur Arie der Lauretta aus Puccinis "Gianni Schicci" (schade, daß er sich sonst nie für Puccini interessierte). Abbado verwendete in der "Wahnsinnsszene" der Lucia übrigens eine Glasharmonika anstatt einer Flöte - Interessierte können sich via untenstehendem Link über das Instrument informieren.
PS: Anna Netrebko sieht auf dem Cover der CD echt Model-like aus; sie trägt hier Kostüme von Escada. Das macht insofern nachdenklich, weil hier ganz klar oberflächliche Äußerlichkeiten überstrapaziert werden. Und auch, weil Netrebko Gefahr läuft, als Pseudo-Medien-Star wie Zunder verheizt zu werden. Vielleicht sollte man ihr einen Mentor beistellen, der aus dem Anna–Model eine Anna–Künstlerin macht ...
Anna Netrebko - Sempre Libera
ØØØØ 1/2
Mahler Chamber Orchestra; Claudio Abbado
Deutsche Grammophon/Universal (D 2004)
Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.
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Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.
Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.
Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.
Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.
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