Musik_Angelika Express - Alltag für alle

Auch Punks können fliegen

Adrett gekleidete Herren mit tadellosem Haarschnitt und in piekfeinen Designer-Anzügen: Klar kommt man sofort auf die Idee, daß da rockiger Punk nicht weit sein kann!    16.04.2004

Ein Jahr lang durften Angelika Express - rein Label-technisch gesehen - mit Indie-Flügeln und dem Rückenwind ihrer Hit-Single "Geh doch nach Berlin" fast in die untersten Regionen des Himmels vordringen. Dann schlug der Plattenfirmenriese Columbia zu, stutzte ihnen gehörig die Flügel und verpaßte ihnen stattdessen richtige, der Musikindustrie angepaßte Monsterdinger. Vier Monate nach der 5-Track-EP "Ich bin kein Amerikaner" und nach einer Produktionszeit von nur dreieinhalb Wochen dürfen Jens Bachmann (Baß, Gesang), Robert Drakogiannakis (Gitarre, Gesang) und Schlagzeuger Alex Jezdinsky stolz ihr zweites Werk präsentieren: "Alltag für alle".

Zwischen Brit-Rock und poppigen Soundfetzen bleiben Angelika Express ihrem eigentlichen Motto treu: Punkrock! Nicht zu dreckig und hingerotzt, aber auch nicht zu schön wandelt die Truppe frech, dynamisch und zynisch durch das Album, versteckt Anflüge von Kritik charmant zwischen den Zeilen und schafft es ganz nebenbei, den Sommer in der ersten Single-Auskopplung "Nimm mich mit" aufleben zu lassen.

Während es keiner der 15 punkigen Songs über die magische 4-Minuten-Grenze schafft, krabbelt sich jedes Lied ohne Ausnahme in die Gehörgänge vor und darf dort verweilen. Im Track "1970" bekommen sogar nostalgische Hippies ihre Ode an diese schöne Zeit: "Zur Auswahl gibt es drei Programme, zu erleben gibt es viel. Sexualität und Drogen im exklusiven Stil" singen Angelika Express, und die Wehmut ist fast spürbar. Während "Feierabend of Destruction" fast zum Pogo-Tanzen auffordert, entlädt sich die geballte Kraft von strotzender Punk-Attitüde im fünften Track: "Laß uns aufhören zu reden. AC/DC, Iron Maiden. Wir verpassen unseren Körpern einen wunderbaren Schock, Rock Fucker Rock", kracht es da aus den Boxen. Der kurzweilige Song "Rock Fucker Rock" – wobei die Betonung von den Jungs auf "Fucker" gelegt wird – ist prädestiniert dazu, auf den Sound-Track zu chilligen Sommer-Parties an den Seen zu kommen. Der akustische Abschluß-Song "Cocktail für eine Leiche" läßt melancholische Gitarrenklampfer hingegen bereits die ersten Lagerfeuer herbeisehnen.

Mit "Alltag für alle" halten Angelika Express die Marschroute in Richtung Himmel konstant. Das Ikarus-Schicksal dürften die Jungs bei DEN Flügeln auch in nächster Zeit nicht erleiden.

David Krutzler

Angelika Express - Alltag für alle

ØØØØ 1/2


Paul!/Columbia/Sony (D 2004)

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