Musik_Andrew Liles - My Long Accumulating Discontent

Spukige Stories

Beachtenswerter Elektronikmusiker verbindet Minimal-Sounds mit Gruselstimmen und altmodischer Instrumentierung.    23.11.2004

Andrew Liles macht seit 20 Jahren Musik, wird aber erst heute langsam in der Avantgarde-Elektronikszene wahrgenommen. Das ist auch kein Wunder, da seine ersten regulären Veröffentlichungen nur wenige Jahre alt sind. Älteres Material aus den 80er und 90er Jahren erschien erst jetzt in einer 13-CDR-Box im Eigenverlag.

Das tschechische Label NextEra allerdings veröffentlichte soeben das neueste Album des stillen Musikers, und dieses ist Liles´ bisher reifstes und durchdachtestes Werk. Die 17 Tracks auf der CD reichen von klassischen Drone-Pieces über akustisch instrumentierte Kammermusikstücke bis zu den äußerst spukigen Sprach/Musik-Collagen, die für Liles so typisch sind.

"Ich glaube, man kann meine Musik sehr leicht verstehen", sagt der Musiker in einem Interview. "Mit den eher unheimlichen Sounds, die ich komponiere, drücke ich meine Melancholie und meine Unzufriedenheit mit der heutigen Welt aus. Ich kann mir nicht viel Positives aus der modernen Zeit holen."

Ganz so pessimistisch ist Liles in Wirklichkeit allerdings nicht, und ein dunkler Humor kommt in seinen Stücken auch oft zum Ausdruck. Was ihn von den 08/15-Ambient-Komponisten am meisten unterscheidet, ist der narrative Einsatz von oft unheimlich klingenden Stimmen und ein Hang zu antiquierten Sounds, die so tönen, als wären sie von einer alten Schellack gesamplet. Tatsächlich wurden sie aber auf dem vorliegenden Tonträger mit Mitgliedern der Industrial/Avantgarde-Band Volcano the Bear eingespielt - eine Kollaboration, die Sinn hat und das Beste aus beiden Welten zum Vorschein bringt.

"My Long Accumulating Discontent" ist ohne Übertreibung eine sensationelle Platte, die Andrew Liles künstlerisch meilenweit an den meisten seiner Kollegen vorbeiführt und ihm hoffentlich einen Teil jener Anerkennung bringen wird, die ihm seit Jahren zustehen würde. Als Tip sei auf sein erstes Österreich-Konzert am 28. November im Wiener rhiz hingewiesen. Wer die Zukunft der ruhigen Elektronik erleben will, sollte diesen Termin auf keinen Fall verpassen.

Walter Robotka

Andrew Liles - My Long Accumulating Discontent

ØØØØØ


NextEra (GB 2004)

 

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Kommentare_

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