Musik_Strawinski & Händel im Theater an der Wien
Profi-Langweiler
Sollte Strawinskis modernisierte Barockoper dem Haus am Naschmarkt als "Ehrenrettung" dienen? Und wollte man dem mit der Händelschen Tour-Produktion vielleicht echtes Barock entgegensetzen? Das Resultat war jedenfalls in beiden Fällen gleich: Weltklasse-Aufführungen von teils schmerzhaft langweiligen Werken.
14.10.2013
Von Georg Friedrich Händel wissen wir ja, daß ihm in späten Jahren bei seinen Opern nicht nur Spitzenwürfe gelungen sind, sondern manchmal nicht mehr als höfische Gebrauchsmusik entstand. Das gilt auch für seinen "Alessandro", den er 1726 in "seinem" Londoner Haymarket Theatre uraufführte. In Gegensatz zum Beginn seiner Komponistenkarriere gingen ihm später oft die Ideen aus, und manchmal wiederholte er sich sogar innerhalb ein und derselben Oper - so wie in dieser.
In dem Verwirrspiel streiten sich die Frauen Rossane und Lisaura um die Gunst Alexanders des Großen während dessen Indien-Feldzug. Beide Frauen gewinnen - Rossane die Liebe Alexanders und Lisaura die Freundschaft des jungen Herrschers.
Musikalisch war die aktuelle Produktion vom Allerfeinsten. Das lag schon einmal daran, daß die großartige junge Russin Julia Leschnewa, die man bereits heuer im Februar hier hören durfte, erneute brillierte und im Publikum wahre Jubelorkane auslöste. Ebenso brillant waren Laura Aikan als Rossanes Rivalin Lisaura und Max Emanuel Cencic als Herrscher Alessandro; ganz hervorragend auch das griechische Ensemble Armonia Atenea unter seinem Chef George Petrou. Sie spielten das Werk äußerst intensiv und geschmackvoll - schafften es aber auch nicht, die musikalischen Durststrecken der Oper zu überwinden.
Auch bei Igor Strawinskis "The Rake´s Progress" erwartete den Zuhörer jede Menge gepflegte Langeweile. Im Remake der vor acht Jahren unter Nikolaus Harnoncourt aufgeführten Produktion dirigierte diesmal der hervorragende deutsche Dirigent Michael Boder das ORF-Orchester. Doch Martin Kusejs Inszenierung wirkt mittlerweile nicht einmal mehr in den Nacktszenen provokant. Sowas kann sich heute jeder 16jährige im Unterschichtenfernsehen oder am Handy anschauen ...
Gesanglich lag die Aufführung auf Weltniveau. Bo Skovhus als "Teufel" Nick Shadow, Toby Spence als Tom Rakewell und Anna Prohaska machten aus der Produktion ein echtes Fest. Obwohl die Sängerin musikalisch alles gab, hörte man doch zeitweise Schärfen in ihrer Stimme, die sich hoffentlich mit der Zeit legen werden.
Mit der Strawinski-Oper verhält es sich allerdings ähnlich wie mit Händels "Alessandro": Während man bei der echten Barockoper viel zu oft das Gefühl hatte, daß sie nicht recht vom Fleck kommt, plätscherte des Russen Barockopern-Parodie stets in lähmender Freundlichkeit dahin.
Schade um die ausgezeichneten Musiker - mit anderen Werken hätten sie sich noch um einiges besser präsentieren können. Trotzdem muß man froh sein, daß sich das Haus an der Wien auch um solche Werke annimmt.
Herbert Hiess
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