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Celluloid Horrors

Vom 23. bis 30. September präsentiert das Filmcasino Wien ausgewählte Produktionen der letzten Jahre zum Thema "Phantastik". Vieles davon war in Österreich noch nie auf der Leinwand zu sehen.    16.09.2010

Der phantastische Film fristet im heimischen Festivalbetrieb zumeist ein eher stiefmütterliches Dasein. Sicher, da mag es ein paar mehr oder weniger wohlfeil ausgewählte Schmankerln in der Nachtschiene der "Viennale" zu sehen gegeben haben, und auch durchaus löbliche Ansätze beim "Crossing Europe"-Festival in Linz: mehr als Stückwerk kam dabei jedoch nie heraus. Da sich auch die Filmverleiher zusehends auf Nummer-sicher-Blockbuster bzw. finanziell weniger riskante Arthouse-Produktionen fokussieren, muß sich der Genrekino-Freund Jahr für Jahr mehr in sein Heimkino zurückziehen.

 Von 23. bis 30. September sollte man DVD-Player und Internet-Streams freilich sich selbst überlassen und sich ins Wiener Filmcasino verfügen - denn dieses wird eine Woche lang mit souverän selektierten Horror- und Trash-Streifen bespielt werden, die es hierzulande zumeist noch nicht in Lichtspielhäusern zu sehen gab und oftmals auch nicht wieder zu sehen geben wird.

In zweitere Kategorie dürfte auf jeden Fall das infernalische Film-Package fallen, das am 29. September gezeigt wird (das detaillierte Programm findet sich auf der Festival-Homepage; siehe Link im Anhang). Zum einen ist da The Human Centipede (First Sequence) des Niederländers Tom Six, das das Mad-Scientist-Subgenre auf bislang noch nicht begangene, sehr, sehr dunkle Wege führt. Und zwar, indem es den Filmtitel ganz wörtlich umsetzt: Ein unglückseliges Touristen-Trio soll im Schwarzwald von einem perversen Doc (diabolisch: die deutsche TV-Institution Dieter Laser) zu einem menschlichen Tausendfüßler umgebaut werden - mittels Vernähung von Mund und Anus (des jeweiligen Vordermannes). Arsch mit Ohren, gewissermaßen. Da wollte jemand sein Faible für Cronenbergschen Body Horror offensichtlich ein wenig ins Absurde steigern ...

 

Wem das schon zuviel des Zumutbaren ist, der sollte beim direkt davor gezeigten Srpski Film / A Serbian Film nicht einmal mehr wegschauen. Selten bis nie hat kann man sie ja anwenden, die Formulierung "you can't unsee a movie" - die irgendwie ganz gut das beschreibt, was man nach diesem Torture Porn empfindet, der tatsächlich jedes noch so ungustiöse Tabu (Vergewaltigung, Pädo- und Nekrophilie) mit bitterem Ernst, ja Wut, bis zum Exzeß ausreizt.

Srdjan Spasojevics Werk, gegen das "Irreversible" wie "Bambi" wirkt und "Salo" wie für die Kinderkrippe gemacht scheint, würde man nämlich wirklich gern ungesehen machen; und es auch keineswegs jemandem zur Sichtung empfehlen, der danach noch einem halbwegs unbeschwerten Leben nachgehen möchte. Da uns natürlich bewußt ist, daß solche Warnungen eher noch neugieriger machen, bleibt uns nur der redaktionelle Haftungsausschluß: Beschweren Sie sich nachher nicht bei uns! Prognostizierte Kino-Rauslaufrate: 70 %.

 

Es gibt freilich auch leichter Verdaulicheres zu begutachten, relativ gesehen zumindest. Als Eröffnungsfilm wird beispielsweise ein Jahr nach dem US-Kinostart The Road gezeigt: John Hillcoats gar nicht leichtgewichtige Adaption des als unverfilmbar geltenden Cormac-MacCarthy-Meisterbuches rund um ein Vater-Sohn-Gespann, das in einer postapokalyptischen Welt ganz auf sich allein gestellt ums Überleben kämpft und sich dabei die letzten Reste Menschlichkeit bewahren möchte - was diversen üblen Genossen, die ihm auf der Reise begegnen, freilich recht egal ist.

Überragend besetzt die Hauptrollen: Kodi Smit-McPhee (demnächst auch im "Let The Right One In"-Remake zu sehen) und Viggo Mortensen.

Ein anderer Charakterkopf mit dänischen Wurzeln steht im Mittelpunkt von Valhalla Rising: Mads Mikkelsen, der sich hier als einäuiger, (nicht einmal) einsilbiger und schier unbesiegbarer Wikinger-Warrior zuerst aus der Versklavung befreit, um sich einer Gruppe von christlichen Kreuzrittern anzuschließen, und nach einem delirierenden Boot-Trip (im wahrsten Sinne des Wortes) versehentlich in der Neuen Welt landet.

Das dänische Regie-Enfant terrible Nicolas Winding Refn (der sich die Bezeichnung im Gegensatz zu Gscheiterl-Poser Lars von Trier auch verdient) setzt uns hier nur ein Jahr nach seiner auch schon kontroversiellen Gewaltstudie "Bronson" einen weiteren schwer verdaulichen Brocken vor, eine Art Ambient-Fassung von "Conan der Barbar" - oder eine Herzog/Kinski-Kollaboration auf noch übleren Drogen.

 

Was gibt's sonst noch? Tetsuo: The Bullet Man etwa, den lang erwarteten dritten Teil von Shinya Tsukamoto legendärer Cyberpunk-Reihe; das zwischen "District 9", "Cloverfield" und Roadmovie pendelnde Low-Budget-Horror-Glanzstück Monsters; eine weitere Takashi-Miike-Gratwanderung namens Yattâman, sowie Rubber, den zweiten Spielfilm des Electro-Musikers Mr. Oizo alias Quentin Dupieux - mit einem telekinetisch mordenden, verliebten Autoreifen in der Hauptrolle.

Ach ja, das "Midnight Madness"-Special mit so wunderbar betitelten Filmen wie Big Tits Zombie und Mutant Girls Squad sei Ihnen auch noch ans Herz gelegt. Wie gesagt: Ihr Heimkino werden Sie diese Woche nicht anwerfen müssen.

Christoph Prenner

/slash Filmfestival

23.-30. September 2010, Filmcasino Wien

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