Akzente_Wiener Festwochen 2009: Dido und Aeneas
Überfrachtete Unterhaltung
2009 ist nicht nur Gedenkjahr für Haydn oder Mendelssohn - auch Henry Purcell begeht heuer seinen 350. Geburtstag. Die Wiener Festwochen würdigten den britischen Komponisten mit einer Neuaufführung seiner berühmten Oper. Obwohl die Regie in manchen Punkten fragwürdig schien, war die musikalische Qualität unübertroffen.
27.05.2009
"Dido und Aeneas" wurde 1689 in einem Mädchenpensionat in Chelsea uraufgeführt - nur das kann wohl als Erklärung dafür dienen, daß man schon beim Einlaß in die Halle E des Museumsquartiers eine Horde Mädchen in adretter Schuluniform auf der Bühne spielen sah. Was anfangs vielleicht als Auflockerung gelten mochte, war später dann schon mehr als merkwürdig, da die Kinder sogar in der Oper mitwirkten. Und das blieb nicht der einzige Schwachpunkt der Regie; letztlich war die ganze Aufführung total überladen. Da lief etwa ein (Jagd-)Hund in der Szenerie herum, der sich wenigstens beim Schlußapplaus dem Publikum zeigte. Natürlich ist das eine Geschmacksfrage - aber warum sich die Regie mit so einer Szenerie in den Vordergrund spielen muß, weiß niemand so genau. Schade, denn einige Einfälle waren wiederum wunderschön, wie zum Beispiel die offene Verwandlung mit dem Schiffssegel am Beginn des 3. Aktes oder die Beleuchtungseffekte beim Tod von Dido.
Musikalisch war der Abend jedenfalls eine Sternstunde. William Christie und sein Meisterensemble Les Arts Florissants (Orchester UND Chor) präsentierten die knapp einstündige Oper auf schönste Weise. Der 16köpfige Chor und die 20 Personen im Orchester (inkl. Christie am Cembalo) führten mit unheimlicher Sensibilität durch das Werk, das entgegen der Tradition keine Opera seria, sondern komplett durchkomponiert ist. Für eine höfische Tradition von "Dido und Aeneas" spricht die Ausrichtung als "Tanzoper"; insgesamt hat Purcell elf Tänze in die Oper eingebaut. Es war wundervoll, wie die Musiker unter Christie die Atmosphäre plastisch darstellten. Bei den Hexenszenen brodelte es richtig, bei einigen Tänzen war man verleitet, mitzuswingen - und als absoluter Höhepunkt kam ganz am Schluß die Todesszene von Dido. Dafür hat sich Purcell eine Musik von spätromantischer Schwermut einfallen lassen; so berührend und eindrucksvoll klingt sonst kaum ein Stück aus einer Barockoper.
Letzteres gilt vor allem, wenn man so eine famose Sängerin wie Malena Ernman in dieser Rolle vernehmen darf. Mit ihrem sonoren Alt und der gefühlvollen Interpretation berührte sie bis zum Schluß als unglücklich Verliebte und Herrscherin von Karthago. Luca Pisaroni spielte ihren Geliebten Aeneas und begeisterte mit einer wunderschönen Baß-Baritonstimme. Schade, daß er in dem Werk so wenig zu singen hat. Bei Hilary Summers als Zauberin (Hexe) ist schwer zu sagen, ob sie als Schauspielerin oder als Sängerin besser ist. Die Altistin zeigte, daß sie beides auf höchstem Niveau kann.
Die Schauspielerin Fiona Shaw präsentierte in Jeans und barfüßig die Prologe. Aus historischer Sicht war der Prolog als schauspielerische Interpretation der aktuellen politischen Situation gedacht. Welchen Zusammenhang aber beispielsweise "Narcissus und Echo" aus Ovids "Metamorphosen" mit der Oper oder der gegenwärtigen Situation haben soll, ist fraglich. Vielleicht sollte es die narzißtische Haltung Aeneas zeigen? Oder wollte die Regisseuse bloß ihre Klugheit kundtun?
Mit der eher fragwürdigen Regie von Deborah Warner schließt sich der Kreis. Mag sein, daß die britische Regisseurin schon viele hervorragende Produktionen geleitet und Erfolge eingeheimst hat, doch diesmal hätte sie mit ihrer Arbeit Purcells Musik fast geschadet - wäre William Christie und seinem Ensemble nicht eine derartige musikalische Sternstunde gelungen.
Herbert Hiess
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