Akzente_Joseph Haydn - Orlando Paladino
Kleider machen Opern
Nikolaus Harnoncourt zelebriert derzeit im Theater an der Wien einen seiner seltenen Auftritte als Operndirigent mit einem noch seltener gespielten Werk. Dummerweise hat man trotz grandioser Inszenierung das Gefühl, daß diese Oper nicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist ...
29.11.2007
Wer in Wien oder Graz wohnt, kommt gelegentlich in den Genuß, den Stardirigenten Nikolaus Harnoncourt als Opern-Maestro zu erleben. Harnoncourt hat seine Auftritte selbst auf diese beiden Spielorte reduziert; in Wien tritt er übrigens auch nur noch im Theater an der Wien auf. Kenner wissen, daß ihn seine musikalische Besessenheit oft Dinge realisieren läßt, die ein anderer Intendant niemals umsetzen könnte.
Haydns 1782 uraufgeführte Oper "Orlando Paladino" gehört zu dieser Sorte von Werken. Sie ist mehr szenisches Oratorium denn dramatisches Werk. Die Musik plätschert zuweilen vor sich hin, statt den Hörer zu packen - man gewinnt fast den Eindruck, das Werk sei höfische Gebrauchsmusik. Die Handlung ist ein szenisches Verwirrspiel über Liebe und Eifersucht. Zwei Paare sind involviert, dazu kommen noch Orlando und sein Rivale Rodomonte. Nach vielen Verstrickungen finden sich die Pärchen zu guter Letzt doch wieder, während Orlando und Rodomonte überbleiben.
Haydn und Mozart dürften da offenbar viele Anleihen beieinander genommen haben - nur daß halt Wolferl der bessere Opernkomponist war. Die Zauberin Alcina bei Haydn könnte beispielsweise eine Vorlage für die Despina aus Mozarts "Cosi fan tutte" sein, wenn sie Orlando mit Strom wiederbelebt. Und die Szene, in der Orlando versteinert, könnte glatt als Komturszene aus "Don Giovanni" durchgehen. Dafür ist wiederum die Schlußzene des 3. Aktes deutlich dem Schlußrondell aus Mozarts "Entführung" nachempfunden.
Regisseur Keith Warner dürfte genialerweise den latenten Slapstick-Charakter des Werks erkannt haben und parodiert kräftig - großartig, wie er mit seinen sechs Tänzern viele langweilige Szenen belebt! Harnoncourt tut sein übriges und haucht musikalisch selbst den schwächsten Stellen Leben und Schönheit ein. Sein Concentus folgt ihm wie immer liebevoll.
Die Sänger sind durchwegs superb, allen voran der Amerikaner Kurt Streit als Orlando. Er ist fraglos einer der größten Mozart-Tenöre der Gegenwart und stellt einen Michael Schade mühelos ins Abseits. Neben seiner markanten und sicheren Stimme zeigt er hier auch seine großen Talente als Schauspieler. Übrigens hat sich Operndirektor Holender auch mit Kurt Streit zerkracht. Nun, so hält man der Oper offenbar die wirklich guten Leute fern ...
Umso mehr muß man also froh sein, daß das Theater an der Wien und Harnoncourt diese Aufführung gebracht haben. In einer derartigen Qualität wird man dieses Werk sicher nie wieder hören. Bravo.
Herbert Hiess
Kommentare_
Michael SChade ins "Abseits" zu stellen, noch dazu mühelos ! da muß sich aber Kurt Streit noch sehr anstrengen. Diese Mühe ist leider auch sehr oft zu hören