Akzente_The Appleseed Cast

"Thanks for coming out on a Monday night."

Es gibt wahrlich Schlimmeres, als am Montagabend guter Musik aus Kansas lauschen zu dürfen. Stephan Skrobar hat dabei keine unangenehmen Überraschungen erlebt.    06.06.2006

Man kann sagen, was man will - aber die schönsten Geschenkpakete sind die, bei denen man schon vorher weiß, daß genau das drin ist, was man sich wünscht. Da macht das Auspacken gleich noch einmal so viel Freude.

Dieses Gefühl stellte sich am letzten Montag im Mai im Wiener B72 ein. The Appleseed Cast waren nicht zum ersten Mal in der Stadt, und - soviel sei vorweggenommen - sie spielten ein solides Konzert ohne Überraschungen. Und es war das beste Konzert, das ein Zielpublikum je versäumt hat (siehe unten.) Man ging ja schon mit einer gewissen Erwartungshaltung hin, hatte doch eine durchaus glaubwürdige Publikation im Vorfeld des Konzerts Kritiker zitiert, die die Musik der Band von sowohl Creedence Clearwater Revival als auch den Sex Pistols beeinflußt sehen.

 

An diesem Punkt kommt die Notwendigkeit auf, die noch zu ungenaue Beschreibung der Appleseed-Musik ein wenig zu konkretisieren. Man kann dies auf zweierlei Art tun: erstens den Lärm beschreiben, zweitens bekanntere Kombos zu einer gewagten Juxtaposition heranziehen.

Also, erstens: treibende Gitarren, knüppelndes Schlagzeug. Laut. Großzügiger Umgang mit Effektgeräten. Und nochmals, weil´s gut tut wie ein frischgeschältes Ildefonso: treibende Gitarren und knüppelndes, lautes Schlagzeug.

Und zweitens - der Vergleich: Da drängt sich eine Band richtigehend auf. Aaron Pillar, Gitarrist, Nebenher-Vokalist und das, was man in der Branche auch gern das Mastermind von Appleseed Cast nennt, bestätigt diesen Vergleich auch gleich fröhlich. Ja, man klinge durchaus wie The Cure in ihrer "Disintegration"-Zeit, und ja, man könne fast erwarten, daß sich unter der abgefuckten Baseball-Kappe von Sänger Chris Crisci (wo haben diese Musiker immer ihre coolen Namen her?) ein massiv auftoupierter Schwarzschopf befindet. Der Cure-Bezug hat aber, abgesehen von der zeitweise auffallend Smith-ähnlichen Stimme von Crisci, auch mit dem großzügigen Einsatz von Halleffekten zu tun.

Was sich sonst noch anböte, wären Ned´s Atomic Dustbin oder The Jesus And Mary Chain, von wegen treibende Gitarren, und frühe Nirvana, von wegen dreckiger Lärm und so. Zusammengefaßt machen die vier von The Appleseed Cast also seit nunmehr neun Jahren punkig-melodiöse Gitarrenmusik - und zwar musikalisch einwandfrei und endlich wieder einmal richtig laut, wie sich das gehört.

 

Hier folgt nun auch der Bogen zum Konzert, bei dem The Appleseed Cast ihr neues, fünftes (eins davon Doppel-)Album "Peregrine" vorstellten. Das B72 war gut gefüllt, es werden rund hundert Leute dagewesen sein. (Wobei wie immer die Veranstalter von mehr, die Polizei von weniger sprechen würden.) Aber sei´s drum. Tatsache ist jedenfalls, daß der Auftritt einer Band wie The Appleseed Cast viel mehr Zuspruch verdient hätte, schon der Qualität ihrer Musik wegen. All jene, die einst zu den Pixies, zu The Mission oder eben Cure gepilgert sind, hätten an diesem Abend ihre helle Freude gehabt. So blieb es dem durchwegs stoischen Publikum überlassen, ansatzweise humoristische Momente zu erleben.

Gesprochen wurde auf der Bühne wenig, sehr wenig - und wenn doch, kam aus dem Auditorium wenig zurück. "We´re from Lawrence, Kansas." Stille. Wie soll man sonst auch reagieren? Applaudieren? "That´s really far away from here." Wissen wir. Mehr Stille, diesmal nicht unpeinlich. Also wurde auf Konversation von da an eigentlich verzichtet, und die Band konzentrierte sich wieder auf das zwar genreübliche, aber durchaus sympathisch ausgeführte Posieren auf der Bühne: den Kopf entweder leicht leidend in den Nacken (Bassist Marc Young) oder bucklig stark vornübergebeugt, Modell Mattenvorhang (Crisc, Pillar).

Wie immer war man offstage dann aber unterhaltsam ohne Ende, und nach dem Konzert wurde bei Bier unter anderem noch die Ähnlichkeit von Kansas mit einer Palatschinke erörtert. Doch das gehört dann nicht mehr wirklich hierher.

Sondern nur soviel: großes Konzert. Wirklich. Hätte man nicht versäumen dürfen.

Stephan Skrobar

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